: Italien: Quasi–Freispruch für Toni Negri
■ Freiheitsstrafen gegen Toni Negri und Oreste Scalzone auf weniger als die Hälfte reduziert Strafen nur noch für verbotenen Waffenbesitz und „ideologische“ Teilnahme an einer Entführung
Aus Rom Werner Raith
Italiens Justiz räumt mit ihren Irrtümern der „bleiernen“ 70er Jahre auf: Das Berufungsverfahren im „Fall 7. April“ (am 7.4.79 wurden mehrere hundert Angehörige der „Autonomia operaia“ verhaftet) erbrachte faktisch die Annullierung aller Urteile der ersten Instanz. Hatten damals 60 Angeklagte zusammen über 500 Jahre Zuchthaus erhalten, so reduzierte die zweite Instanz nun auf kaum hundert Jahre. Die für den Paduaner Professor Toni Negri (in Paris im Asyl) verhängten 30 Jahre wurden auf zwölf gemindert, die 20 Jahre für Oreste Scalzone (ebenfalls in Paris) auf neun. In Stücke gehauen hat der Appellationsgerichtshof in Rom damit die These von der „Steuerung des gesamten italienischen, vielleicht sogar europäischen Terrorismus durch ein einziges Gehirn“. Nach der Aldo–Moro–Ermordung 1979 war dieses paranoide Gerücht vom Paduaner Staatsanwalt Calogero aufgebauscht, von Parteien und Medien kolportiert worden. So wurden nun die Anklagepunkte „Bewaffneter Aufruhr gegen die Staatsgewalt“ und „Verschwörung gegen den Staat“ abgewiesen; die verbliebenen Strafen betreffen verbotenen Waffenbesitz sowie - bei Negri und Scalzone - „ideologische“ Teilnahme an einer Entführung. Erledigt dürfte auch die Kultur des „politischen Kronzeugen“ sein: Faktisch die gesamte Anklage gegen die „Autonomia operaia“ hatte sich auf einen Superzeugen gestützt - einen rechtskräftig verurteilten Mörder, dem fünf Jahre nach seiner Festnahme eingefallen war, daß Negri und Co. ihn zur Tat inspiriert haben könnten. Der „geborene Lügner“ - so ein Mitglied des obersten italienischen Gerichts - war der Staatsanwaltschaft dennoch glaubwürdig genug erschienen, um Hunderte von ihm denunzierte Personen über vier Jahre unschuldig in U–Haft zu halten. Auch das Gericht der ersten Instanz hatte dem „Kronzeugen“ Fioroni geglaubt, obwohl er zu keinem Termin erschienen war und damit auch seine Aussagen nicht vor Gericht bestätigt hatte. In der zweiten Instanz sagte er dann aus - doch seine Widersprüche ließen den Staatsanwalt von seinen Hauptvorwürfen abrücken.
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