: Ist müdes Tanzvolk politically correct?
■ „Consolidated“,„Chumbawamba“ und die Bremer „Saprize“ im Schlachthof
Bereits im Juli war der Name ,,Consolidated“ auf Bremer Konzertplakaten zu lesen. Damals sollten sie für die unbekümmerten Frohsinns-HipHopper „House of Pain“ anheizen. Die mochten aber nicht mehr mit ihrem Support-Act spielen, als sie merkten, daß dieser nicht völlig unpolitisch daherkam. Damit diesmal nichts schief gehen konnte, rauften sich „Consolidated“ für ihr Schlachthof- Konzert am Dienstagabend mit den britischen Linkspoppern „Chumbawamba“ zusammen.
Aber zuvor standen die BremerBand „Saprize“ auf dem Programm, die im Bundesgebiet wohl die rundeste HipHop / Metal/ Mischung zum Besten geben.
Gäbe es weniger Elend in der Welt, müßten „Consolidated“ weniger Platten machen. Kein heißes Eisen schafft es, sich an den US-Rappern vorbeizumogeln. So rapten sie auch in Bremen u. a. gegen das Leugnen des Holocausts, chau- vinistisches Schwanzdenken, Fleischverzehr, Homophobie und für Safer Sex, Frauenrechte und schärfere Waffengesetze. Ganz zeitgemäß hatten sie die passenden Videoclips gleich mitgebracht und zeigten sie auf mehreren Monitoren zur Musik, die von einem monströsen Schlagzeug und einer Gitarre dominiert wurde. Der somit zumeist rockige und für HipHop ungewöhnliche Sound kam zwar recht kraftvoll daher, butterte die Texte aber oft unter. Eindeutige Botschaften vermittelte das Trio nur, wenn es Videobilder und Tonkonserven für sich sprechen ließ. So sangen Kinderstimmen „Old McDonald had a farm“, während auf den Monitoren dokumentiert wurde, wie in einer Schlachterei Lebewesen zu Food-Produkten verarbeitet werden.
Die magere Resonanz an diesem Abend redeten sich „Consolidated“ auf ihre gaz eigene Art schön. Als beim anschließenden traditionellen Publikuasgespräch sich ein Gast für seine tanzunfreudigen Mitgäste entschuldigte, sprach der Vor-Rapper: „In Amerika wollen die Leute nur immer mit ihrem Budweiser in der Hand herum- hüpfen. Hier setzt man sich halt hin und denkt über die Tezte nach.“ Wahrscheinlich versuchte man eher, sie überhaupt zu verstehen. Trotz des gelegentlichen Klangwusts konnten die drei immerhin für ihren humorvollen Umgang mit dem „House of Pain“-Debakel Sympathiepunkte sammeln. Sie widmeten ihren Ex-Partnern einen Song über die Kommerzialisierung des HipHop und parodierten deren hohle Party-Parolen mit Fistelstimmen. Recht so.
„Chumbawamba“ spielen so häufig im Schlachthof, daß man meinen könnte, sie wohnen um die Ecke. Durch das ständige Touren übersättigen sie das Publikum und scheinen selbst in eine musikalische Sackgasse zu steuern. Ihre einst frischen Dance-Arrangements klangen am Dienstag bedenklich nach ,,Ace of Base“ mit Agit-Pop-Texten. „Chumbawamba“ sollten eine Pause machen, eventuell ihren Trompeter rausschmeißen und entschlackt zum Comeback antreten. Aber bitte nicht mehr in diesem Jahr.
Andreas Neuenkirchen
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