■ Ist Honecker Honecker?: Der gefälschte Leberkrebs
Es ist schon längst kein Geheimnis mehr, daß Mao Zedong bereits Ende der sechziger Jahrer von Lin Piao im Jangtsekiang ertränkt wurde. Um sich an der Macht zu erhalten, stellte ihn die Viererbande dann bis zum offiziellen Tod des größten toten Maoisten aller Zeiten im Jahre 1976 stets ausgestopft aufs Podium. Daß Fidel Castro vor mehr als zehn Jahren mit einem vergifteten Cuba Libre um die Ecke gebracht wurde, pfeifen Havannas Spatzen von den Dächern, und Nordkoreas revolutionäres Leuchtfeuer Kim Il- Sung ist in Wirklichkeit bereits sein eigener Urenkel. Das Double hat Hochkonjunktur in der Weltpolitik, nur bei Helmut Kohl scheiden sich die Geister. Es gibt gewichtige Indizien, die darauf hindeuten, daß der Kanzler echt ist. Schulkameraden schwören, er sei schon in seiner Kindheit solchermaßen unerträglich gewesen.
Die größten Probleme bei der Enttarnung von Doppelgängern wirft jedoch die Staatsführung der DDR auf. Nun gut, es ist mittlerweile allgemein bekannt, daß es sich bei Egon Krenz in der Endphase um keinen anderen als Günter Wallraff handelte, der eine harmlose Recherche über das Politbüro vornehmen wollte, unversehens in den Mittelpunkt des Weltgeschehens geriet und fast daran zerbrach. Noch heute bekommt er Schweißausbrüche, wenn ihm die Frage gestellt wird, warum es in der DDR keine Videorecorder gab.
Doch was ist mit Honecker? Kann dieser Mann wirklich er selber sein? Anwalt Hanns-Ekkehard Plöger, einer der Nebenkläger-Vertreter im Moabiter Prozeß, hat schwere Zweifel. Der echte Honni, mutmaßt er, sitzt feixend und pumperlgesund in Chile, während sich sein leberkrebsgeplagter Stuntman in Berlin mit Richter Bräutigam herumschlagen muß. In der chilenischen Botschaft in Moskau könnte der Rollentausch stattgefunden haben, der Anwalt will Gewißheit durch Identitätsprüfung.
Die kann er haben: Honecker ist echt! Glauben Sie uns, Herr Plöger. Sicher, eifrige Konsumenten von Humphrey-Bogart-Filmen wissen, daß eine entsprechende Gesichtsoperation kein Problem ist, auch die perfekte Fälschung eines Leberkrebses, die nasale Sprechweise, die abgefahrene Rhetorik, selbst die Fingerabdrücke sind für versierte Geheimdienstler allenfalls sportliche Herausforderungen. Aber diese geballte Faust, Herr Plöger, diesen kämpferisch-kriecherischen Impetus, diese gefingerte Ausgeburt des realsozialistischen Realismus, die kriegt nur einer zustande: Erich Honecker in persona. Matti Lieske
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