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Archiv-Artikel

Israels ehrliche „Cremeschnitte“

Die beiden Hauptkommissare sind bei Kollegen so geschätzt wie bei Gaunern gefürchtet. Beiden eilt der Ruf der Unbestechlichkeit voraus, was sich auch in ihren Namen niederschlägt. Unterscheiden tut sich der Israeli Efraim Ehrlich von seinem deutschen Amtskollegen Bruno Ehrlicher nur in einem Punkt: Während Bruno Fiktion bleibt und Kommissar aus dem „Tatort“, ist der Kriminalbeamte Efraim waschecht.

„Cremeschnitte“ nennen ihn seine Freunde wegen seiner Vorliebe für den fetthaltigen Kuchen. In seinem Team als angenehmer und humorvoller Chef beliebt, kämpft der frühere Vizeboxmeister im Halbschwergewicht nicht nur mit Fäusten gegen die Prostitution im Norden Tel Avivs und das verbotene Glücksspiel. Wenn es sein muss, greift er eigenhändig zum Benzinkanister, um Roulettetische und einarmige Banditen zu verbrennen. Aber nie ohne zuvor die Presse zu informieren. Denn eine gute Schlagzeile weiß Ehrlich mindestens so zu schätzen wie ein Sahnetörtchen.

Innerhalb von drei Monaten sorgte er dafür, dass die rund einhundert illegalen Spielhöllen im Großraum Tel Aviv geschlossen wurden. Seinen engen Kontakt zu den Journalisten, denen Ehrlich bisweilen Informationen auch über Ungereimtheiten im eigenen Apparat zusteckt, beäugen die Kollegen allerdings mit Skepsis. Denn sein Eifer, Verbrechen aufzudecken, macht vor Uniformen nicht halt.

Genau das droht ihm nun seine Karriere zu kosten. In seiner neuen Funktion als Chef der Straßenverkehrsabteilung erwischte Ehrlich ausgerechnet den Generalkommandanten der Polizei, Dudu Cohen. Der wurde gefilmt, wie er mit 180 Stundenkilometern über eine Straße preschte, auf der nur 90 erlaubt waren. Das ist zwar zwei Jahre her, doch Ehrlich kommt die Kassette mit dem rasenden Chef gerade recht. Denn womöglich kann er sie noch vor Gericht gebrauchen. Cohen versetzte den Vorzeigebeamten jedoch prompt in die palästinensische Stadt Hebron. Dass Ehrlich von den Vorgesetzten als Bedrohung empfunden wird, hat seinen Grund: Schließlich hat er schon vor zwei Jahren einen der größten Korruptionsskandale im Land aufgedeckt, darunter auch die Verbindung zwischen dem damaligen Polizei-Generalkommandanten, der infolge von Ehrlichs Aussage gehen musste, und einer bekannten Gangsterfamilie.

Seine jüngste Abberufung ins Westjordanland setzte „Cremeschnitte“ so zu, dass er mit Schmerzen in der Brust vier Tage im Krankenhaus bleiben musste. Nun soll die Sache zunächst vor den Oberstern Gerichtshof, bevor festgelegt wird, wo der 47-jährige Vater von vier Töchtern künftig zum Einsatz kommt. SUSANNE KNAUL