■ Israels anhaltende Strafexpedition in Libanon bewirkt das genaue Gegenteil: der Gegner wird gestärkt: Schafft ein, zwei, viele Hisbollahs
„Operation Accontability“ tauften die israelischen Militärs ihre neueste glorreiche Aktion im Libanon – auf gut deutsch: ,Laßt sie bitter für das bezahlen, was sie uns angetan haben‘. Eine Strafexpedition im klassischen Sinne. Wieder einmal hat die dumpfe Militärlogik Oberhand gewonnen mit ihren einfachen Strickmustern, die da lauten: ,Hau drauf, hau drauf, und wenn es sich immer noch bewegt, dann hau noch einmal drauf‘. Es scheint eines der Markenzeichen der Konfliktlösung der Neuen Weltordnung zu sein, daß man zuerst die Militärmaschinerie in Gang setzt und erst dann fragt, wie alles eigentlich weitergehen solle.
Die Aktion richtet sich gegen die islamistische Hisbollah. „Wenn die libanesische Regierung sie nicht entwaffnet, dann machen wir es eben“, ist aus Israel großspurig zu hören. Man verfährt frei nach dem Motto: Schafft eine, zwei, viele Hisbollahs. Denn bisher hat noch jede israelische Militäraktion im Libanon zur Stärkung derjenigen beigetragen, die man zu schwächen vorgab. Oder, was glaubt die israelische Regierung, geht momentan in den Köpfen der über eine halbe Million zählenden Flüchtlinge auf ihrer Odyssee in Libanon vor (im ganzen Land leben gerade mal drei Millionen Menschen)? Bestimmt nicht, mit ihren südlichen Nachbarn demnächst einträchtig die Friedenspfeife zu schmauchen.
Den meisten Libanesen gelten die Aktionen von Hisbollah gegen Israel ohnehin als legitimer Widerstand. Das wird auch so lange so bleiben, bis sich Israel aus dem besetzten Teil des Südlibanon zurückziehen wird, den es nun seit über zehn Jahren als „Sicherheitszone“ für sich reklamiert und kontrolliert.
Sollte man überhaupt irgendeine Vernunft hinter den Militäraktionen zu entdecken suchen, dann nur die Überlegung, daß der Regierung Rabin die letzten Runden der Nahostgespräche etwas zu konkret geraten sind. Da scheint es schon besser, jetzt wieder über einen Waffenstillstand im Libanon zu verhandeln. So bombt man Verhandlungen zurück an den Anfang, und das Schweigen der Waffen ließe sich dann auch gleich wieder als Erfolg verkaufen. Die Vereinbarung, die israelische Militärmaschine nicht ständig über den Libanon walzen zu lassen, erschiene in diesem Lichte besehen dann schon wieder als echtes Zugeständnis an die arabische Seite.
Und was tut Washington kurz vor der Reise Außenminister Christophers in die Region? Im Weißen Haus ist man verärgert, aber noch nicht außer Fassung geraten. Schließlich, so ein Kommentator des US- Nachrichtenmagazins Newsweek, bekriege man sich in der Region schon seit Tausenden von Jahren. Also kein Grund zu weiterer Beunruhigung? Da stößt es dann auch nicht weiter auf, wenn die israelischen Hubschrauber und Kampfflugzeuge weiterhin ganz nach gusto im Libanon ein- und ausfliegen. Schließlich handelt es sich ja nicht um den „zivilisierten Teil der Welt“. Karim el Gawhary, Kairo
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