: Israels Oberstes Gericht berät Deportationen
Tel Aviv (taz) — Das Oberste Gericht in Israel befaßte sich am Sonntag mit der am 2. Januar angeordneten Deportation von elf Palästinensern aus der Westbank und dem Gaza-Streifen. Gegen den Deportationsbefehl hatte sich der UN-Sicherheitsrat am 7. Januar einstimmig und in ungewöhnlich scharfer Form ausgesprochen. Der Befehl hatte eine mehrtägige Aussetzung der bilateralen Nahostverhandlungen in Washington zur Folge, da die arabischen Delegationen den Gesprächen aus Protest mehrere Tage fernblieben. Die Deportationen wurden ausgesetzt, bis das Oberste Gericht über die Berufung der betroffenen Palästinenser entschieden hat. Die israelische Staatsanwaltschaft hat beantragt, die Berufungen abzulehnen.
Die Verhandlung begann mit einer Anhörung von sieben der elf Betroffenen. Sie waren mit ihren Anwälten erschienen. Außerdem waren die Familien der Betroffenen, des israelischen Oppositionsabgeordneten Jossi Sarid und Haider Abdel-Schafi, Mitglied der palästinensischen Nahostdelegation, in der als „nicht öffentlich“ deklarierten Sitzung anwesend. Die Anwälte wiesen darauf hin, daß eine Verteidigung ihrer Mandanten unter den gegebenen Umständen kaum möglich sei. Das „Belastungsmaterial“, das der israelische Kommandant im Gaza-Streifen, General Matan Vilna'i, gegen die Palästinenser vorgelegt hat, darf von den Angeklagten und ihren Anwälten nicht einmal eingesehen werden. Es ist „streng geheim“, und nur die Obersten Richter sind berechtigt, zumindest Teile der Geheimakte zu lesen. Dies darf nicht einmal im Beisein der Angeklagten und ihrer Anwälte passieren. Das Oberste Gericht in Israel hat bislang noch nie einen Deportationsbefehl rückgängig gemacht. Seit dem Beginn der Intifada vor etwas über vier Jahren wurden insgesamt 66 Palästinenser auf Befehl der israelischen Regierung aus den besetzten Gebieten deportiert. Der UN-Sicherheitsrat hat in seiner Entschließung darauf hingewiesen, daß die Deportationen gegen Art. 49 der 4. Genfer Konvention verstoßen.
Die sieben Palästinenser, über deren Deportation jetzt verhandelt wird, kommen aus dem Gaza-Streifen. Der 47jährige Rafat Ali An- Najar aus Khan Junis wurde bereits viermal ohne Verfahren in dem berüchtigten Internierungslager „Ansar 3“ im Negev eingesperrt, weil er angeblich ein wichtiger Aktivist der PLO-Organisation PFLP ist. Der 31jährige Sami Abu Samahahaneh aus Rafah ist bereits seit dem 26. Mai 1990 ununterbrochen in sogenannter Administrativhaft, das heißt Haft ohne Anklage und Verfahren. Khader Khader, ein Schuldirektor aus dem Flüchtlingslager Jabalia, und Ihab al Askar, Leiter einer Gesundheitsorganisation im Gaza-Streifen, sollten nach Aussage ihrer Anwälte als Mitarbeiter der israelischen „Sicherheitsdienste“ angeworben werden, bevor der Deportationsbefehl gegen sie ausgesprochen wurde. Beide hatten abgelehnt. Khaders Verteidiger, der Rechtsvertreter der israelischen Bürgerrechtsgesellschaft, Dan Jakir, wurde selbst erst im Juli 91 aus Administrativhaft entlassen. In etwa einer Woche sollen die Berufungen der vier Palästinenser beraten werden, die aus der Westbank deportiert werden sollen. Amos Wollin
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