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Israels Angriffe auf den Libanon

Die israelische Armee überzieht wieder einmal den Libanon mit Bombardements auf Zivilisten, auf libanesische und syrische Soldaten und manchmal auch auf Hisbollah-Büros. Als Grund für dieses Vorgehen geben sowohl die Israelis als auch die deutschen Medien die Angriffe der Hisbollah auf Nordisrael an. Keine Rede davon, daß Israel den Südlibanon schon seit 1978 besetzt hält und die Bevölkerung schikaniert. Die Angriffe der Hisbollah auf Nordisrael sind die Reaktion auf die israelische Besatzung und Unterdrückung.

Israel mißachtet permanent die Menschenrechte, setzt sich über UN-Resolutionen (zum Beispiel Resolution Nr. 425, die den sofortigen Abzug der Israelis aus Südlibanon verlangt) hinweg, betreibt Sippenhaft, enteignet willkürlich den Palästinensern ihr Land und hält unter anderem den Südlibanon besetzt. Und im Wahlkampf werden einfach mal so Beirut und andere Orte des Nachbarlandes bombardiert, nach dem Motto „Bomben bringen Stimmen“. Und die Welt schweigt dazu.

[...] Wie es in vielen Kommentaren heißt, kann Israel den Beschuß auf Nordisrael nicht einfach erdulden. Der Libanon muß bald schon jahrzehntelang Besatzung und Bombardierungen, Zerstörung ganzer Dörfer inbegriffen, erdulden. Ein weiterer Grund für die Bombardierung des Libanon soll der Tod eines israelischen Soldaten in der sogenannten Sicherheitszone sein. Sollen die israelischen Soldaten doch um Himmels willen in ihrem Land bleiben, dann müssen sie nicht sterben!

Nahezu höhnisch klingt es, daß Israel bei seinen jüngsten Angriffen auf den Libanon angeblich „die Verhältnismäßigkeit der Mittel wahrte“ (Nürnberger Nachrichten vom 12. 4. 96). Tausende Libanesen sind auf der Flucht, Touristen verlassen in Scharen das Land, es gibt Tote und Verletzte. Fast noch krasser heißt es in anderen Berichten: „Der Schlag (gegen Hisbollah- Kommandostationen) war von chirurgischer Präzision“ (zum Beispiel Die Welt vom 12. 4. 96). Der Autor kann damit nur den Bamberger Chirurgen vor Augen haben, der kürzlich einem Patienten das falsche Bein amputierte.

Der Libanon sollte – wenn es nach den Israelis und der Mehrheit der deutschen Medien ginge – die israelische Besatzung nicht nur widerstandslos ertragen, sondern zum Dank auch noch diejenigen Palästinenser aufnehmen, die in Israel unerwünscht sind, die Israel immer wieder in den Libanon abzuschieben versucht. Und schon jahrelang verfährt Israel nach dem Leitsatz: Wenn es Täter gibt, muß auch irgend jemand bestraft werden, egal wer. Anschläge von Hamas-Kämpfern in Israel werden regelmäßig mit „Strafaktionen“ der israelischen Armee im Südlibanon beantwortet.

Die Libanesen sind – bis auf die Hisbollah, die für die Befreiung des besetzten Gebietes kämpft – längst zu einem normalen, friedlichen Leben übergegangen. Sogar der Tourismus ist wieder in Gang gekommen und versprach wirtschaftlichen Aufschwung. Die Libanesen wollen nichts lieber als endlich Frieden. Israel meint aber, es selbst bekomme nur dann Sicherheit, wenn es die Schraube von Gewalt und Gegengewalt weiterdreht. Damit treibt Israel aber nur mehr „normale“ Libanesen in die Fänge der gewaltbereiten Hisbollah.

Was seltsam ist: Auf die Idee Land gegen Frieden zu tauschen, kommen weder die Israelis noch deutsche Journalisten. Der libanesische Ministerpräsident Rafik Hariri hat's wiederholt vorgeschlagen. Wenn die israelischen Truppen aus dem Libanon abziehen würden, könnte die libanesische Armee innerhalb kurzer Zeit die Hisbollah unter Kontrolle bringen. Aber Hariri, der den Libanon in den Frieden, wenn auch einen sehr zerbrechlichen, geführt hat, steht auf einsamen Posten. Sabine Vierling-Hariri,

Nürnberg

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