Israelischer Historiker über Bush-Besuch: "Bush kommt, um über den Iran zu beraten"
Der israelische Historiker Michael Oren glaubt nicht, dass der US-Präsident den Friedensprozess vorantreiben kann. Insbesondere der von ihm festegelegte Termin für einen Friedensvertrag war ein Fehler.
taz: Georg W. Bush ist seit sieben Jahren Präsident. Warum kommt er erst jetzt?
Michael B. Oren: Bush war nicht im Friedensprozess engagiert. Das hat sich geändert, nicht zuletzt weil er die moderaten arabischen Staaten und auch Europa davon überzeugen will, dass sich die USA für den Frieden zwischen Israel und den Palästinensern aktiv einsetzen. Aber vor allem ist er hier, um sich mit seinen Verbündeten über Iran zu beraten. Dritter Grund ist die amerikanische Innenpolitik. Der Besuch eines führenden Republikaners im Heiligen Land hilft den Republikanern bei ihren politischen Ambitionen im Jahr 2008.
Würden Sie sagen, dass der Besuch eine Intensivierung der israelisch-amerikanischen Beziehungen signalisiert?
Nein. Der Besuch ist Teil der Beziehungen, die unter der Bush-Administration immer sehr, sehr eng waren.
Es scheint, dass im Nahen Osten ohne Bush gar nichts geht. Kann er umgekehrt konkret etwas vorantreiben?
Das glaube ich nicht. Die Regierung von Ehud Olmert sitzt fest. Sie verliert an innenpolitischer Stärke und muss den Austritt der religiösen und rechts-nationalen Partner aus der Koalition fürchten. Noch wichtiger ist, dass Ende des Monats der zweite Teil des Winograd-Berichts veröffentlicht wird, in dem es um das Versagen der Regierung während des Libanonkrieges geht. Damit wird sich der Druck auf Olmert, von seinem Amt zurückzutreten, verschärfen.
Dann liegt das Stocken des Friedensprozesses an Israel?
Auch die palästinensische Seite ist impotent. Palästinenserpräsident Mahmud Abbas ist sehr schwach. Ich sehe außerdem nicht, dass er Maßnahmen gegen den Terror unternimmt.
Bush scheint heute weniger optimistisch zu sein als noch während der Annapolis-Konferenz. Warum?
Ich glaube, dass er die Dinge einfach realistischer sieht als vor sechs Wochen. Er musste einsehen, dass er einen Fehler gemacht hat, als er mit Ende 2008 ein Datum für die Unterzeichnung des Friedensvertrags festlegte. Jedes Datum wäre derzeit unrealistisch. Es war nicht sehr weise, davon überhaupt erst anzufangen.
INTERVIEW: SUSANNE KNAUL
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