Islamlehrer Mouhanad Khorchide: "Ich sehe mich als Brückenbauer"
Mouhanad Khorchide soll Professor für islamischen Religionsunterricht werden. Was ist die religiöse Rolle der Lehre?
taz: Herr Khorchide, glauben Sie an die historische Existenz von Mohammed?
Mouhanad Khorchide: Ja, glaube ich.
Warum spielt das bei der Besetzung einer Professur für islamische Religionspädagogik an einer staatlichen Universität überhaupt eine Rolle?
Ausbilder von Religionslehrkräften haben zugleich eine Vorbildfunktion. Von ihnen wird erwartet, dass sie nicht nur fundierte Kenntnisse der islamischen Theologie und Religionspädagogik haben, sondern zugleich dass sie den Grundsätzen ihrer Religion Rechnung tragen.
Gute islamische Theologie, sagt Ihr Vorgänger Muhammad Sven Kalisch, sei in Münster wegen der Mitsprache der islamischen Verbände gar nicht möglich.
Soweit ich weiß war für die Verbände nicht Muhammad Kalischs wissenschaftliche Methode das Problem, sondern seine Aussage, dass der Prophet vielleicht nicht existiert hat. Die Lehre muss aber mit den Grundsätzen des Islam kompatibel sein: mit dem Glauben an Gott, an den Propheten und an den Koran.
Mouhanad Khorchide, 38 Jahre alt, ist im Libanon geboren und schließlich in Saudi-Arabien aufgewachsen. Er studierte in Beirut Islamwissenschaft und Islamische Theologie sowie Soziologie in Wien. Seit 1989 lebt er in Österreich, wo er mit einer Studie über islamische Religionslehrer promovierte. Khorchide war auch Imam einer kleinen Moschee in Ottakring, Wien, und hat zudem selbst als Religionslehrer gearbeitet.
Und wenn man mit der historisch-kritischen Methode Zweifel an der Existenz Mohammeds bekommt, ist Schluss mit der Freiheit der Wissenschaft?
Ich verstehe das Anliegen der Verbände, dass Religionslehrer Unterricht im Einklang mit dem Islam erteilen sollen. In die Wissenschaft wollen sie sich nicht einmischen.
Sind Sie so vorsichtig, weil Ihre Berufung von einem positivem Votum der islamischen Verbände abhängt?
Ich sehe meine Aufgabe als Brückenbauer. Ich möchte Vertrauen schaffen, das verloren gegangen ist. Deshalb gehe ich auf die Verbände zu. Ich habe mich mit ihren Spitzenvertretern getroffen und wir haben ein sehr konstruktives Gespräch geführt. Die islamische Lehre war immer sehr vielfältig. Man muss sich nicht über alles einigen, aber verständigen muss man sich. Mir geht es vor allem um die große Chance, in Münster eine islamische Theologie zu etablieren.
In Österreich haben Sie gezeigt, dass Sie die Auseinandersetzung mit den muslimischen Verbänden nicht scheuen. Laut Ihrer Doktorarbeit hat ein Drittel der islamischen Religionslehrer in Österreich Probleme mit dem Rechtsstaat, ein gutes Fünftel mit der Demokratie. Und viele halten es für unvereinbar, gleichzeitig Muslim und Europäer zu sein. Wie sind sie in der Schule gelandet?
In Österreich hat man 1982 den islamischen Religionsunterricht an den Schulen eingeführt, ohne sich Gedanken darüber gemacht zu haben, wer unterrichten soll und wie die Lehrer ausgebildet werden. Muslim zu sein und in Österreich zu leben war zunächst die einzige Qualifikation für viele Lehrkräfte.
Was kann man daraus für Deutschland lernen?
Dass man nichts überstürzen sollte. Es macht Sinn, erst islamische Theologie und Religionspädagogik an den Universitäten aufzubauen und zu etablieren, bevor man Religionsunterricht einrichtet.
Die Muslime in Deutschland werben seit langem für den islamischen Religionsunterricht. Wenn er flächendeckend eingeführt würde, bräuchte man auch bald 2.000 Lehrer.
Im Unterschied zu Österreich gibt es in Deutschland aber bereits viele Lehrer und viele Islamwissenschaftler, die islamische Religion in verschiedenen Modellprojekten unterrichten. Sie können über eine gezielte Fortbildung weiterqualifiziert werden. Aber natürlich werden diese Lehrer nicht reichen.
Für den ehemaligen Innenminister Schäuble geht es auch um Terrorprävention. Soll der Religionsunterricht den Einfluss der Moscheen auf Kinder und Jugendliche mindern?
Nein. Ich finde es sehr wichtig, dass man die beiden Unterrichtsformen nicht gegeneinander ausspielt. Viele Kinder, die am islamischen Religionsunterricht in den Schulen teilnehmen, werden weiter auch den in den Moscheen besuchen, das zeigen empirische Studien. Es ist wichtig, dass die Kinder nicht hier das eine lernen und dort das Gegenteil. Dafür müssen wir die Moscheen mit ins Boot holen, vielleicht kann man sogar gemeinsame Lehrpläne entwickeln.
Ihr Ansprechpartner ist bislang der Koordinierungsrat der Muslime. Ein Mitglied, den Islamrat, hat der Innenminister gerade aus seiner Islamkonferenz ausgeschlossen. Ist das ein Problem?
Nein, auch die Mitglieder des Islamrats sind vielfältig. Für mich bleibt der Koordinierungsrat der Ansprechpartner.
Der Koordinierungsrat der Muslime repräsentiert aber vor allem die konservativen Muslime. Brauchen Sie nicht auch verstärkt liberale Ansprechpartner?
Diese Begriffe führen in die Irre. Man darf die Menschen, auch die Verbände, nicht schubladisieren. Wir müssen über konkrete Inhalte reden und dann werden wir feststellen, dass es auch unter den Verbänden eine Bandbreite an Ausprägungen gibt. Ditib und Islamrat zum Beispiel sind sich über viele theologische Details nicht einig, aber das spiegelt die Vielfalt innerhalb der islamischen Theologie. Dennoch ist die Frage nach der Repräsentativität berechtigt. In Österreich wirbt die Islamische Gemeinschaft dafür, dass sich mehr Muslime registrieren lassen. Wenn man mitreden will, muss man das tun.
In Österreich gibt es auch einen staatlich anerkannten Dachverband, der alle Muslime vertreten soll. In Deutschland gibt es den Koordinierungsrat, der sich nach dem Ausschluss des Islamrats noch nicht einmal zu einer gemeinsamen Haltung zur Islamkonferenz durchringen kann.
Sie sollten sich aber organisieren und dem Koordinierungsrat beitreten. Dessen Gründung war ein ganz entscheidender Schritt. Wir brauchen eine gemeinsame Vertretung der Muslime. Das ist wichtig, damit man sich in einem demokratischen System einbringen kann.
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