Islamhasser in den USA: Des Republikaners bester Freund
Der Einfluss der Muslimhasser in den Vereinigten Staaten ist immens. Er reicht bis in die Spitzen der Partei von Präsidentschaftskandidat Romney.
WASHINGTON taz | Wirklich überrascht sind Muslime in den USA nicht, wenn sie von dem hass- und vorurteilsvollen Film „Innocence of Muslims“ erfahren. Allenfalls traurig. Und so beunruhigt wie schon oft in den vergangenen elf Jahren. Seit dem 11. September 2001 ist die kleine Minderheit immer wieder ins Visier von radikalen Muslimhassern geraten.
Letztere unterhalten ein kleines, finanzstarkes und effizientes Netzwerk. Und sie haben es geschafft, Muslime unter den Generalverdacht des Terrorismus zu stellen, Demonstrationen und Petitionen gegen Moscheen und Schulen zu organisieren, mit Koranverbrennungen zu drohen und quer durch die USA neue Gesetze und neue Regeln aufzustellen, um die angebliche Gefahr durch islamische Praktiken einzudämmen.
In diesem Kreuzzug ist das Stichwort „Muslim“ als Beleidigung für einen Fremden gemeint. Und es ist kein Zufall, dass im Jahr 2012 jeder dritte republikanische Wähler den (christlichen) US-Präsidenten Barack Obama für einen Muslim hält. Ibrahim Hooper von der Bürgerrechtsorganisation Council on american-islamic relations (Cair) in Washington beobachtet die Muslimhasser seit Jahren.
„Es ist eine aktive Industrie, die national und international vernetzt ist und die Provokation sucht“, sagt er. Hooper wird offen angefeindet. Als Cair ihre jungen Mitglieder dazu ermunterte, Praktika im US-Kongress zu machen, um Politik besser zu verstehen, geriet sie unter Verdacht, die US-Spitze „unterwandern“ zu wollen.
Vorurteile predigen
Fünf Redner der Muslimhasser-Szene wie der Prediger Terry Jones oder die Anwältin Debbi Schlussel, die aus christlichen und auch aus jüdischen Gruppen stammen, reisen seit elf Jahren durch die USA und predigen Vorurteile. Ihr Hauptargument gegen jede neue Moschee – von Manhattan bis Murfreesboro in Tennessee – ist die „Bedrohung der westlichen Zivilisation“.
Die USA haben gestern aufgrund der Proteste in Indonesien die Konsulate in den Städten Makassar und Medan weiterhin geschlossen. Am heutigen Freitag wird auch die Botschaft in Jakarta geschlossen bleiben. Im Iran protestierten Studenten gestern vor der französischen Botschaft und skandierten „Tod für Frankreich“ und „Nieder mit den USA“. Die Demonstrationen richten sich gegen das islamfeindliche Schmähvideo aus den USA und gegen französische Karikaturen.
Am Freitag, für Muslime der arbeitsfreie „Tag der Zusammenkunft“, werden Massenproteste in der islamischen Welt erwartet. Frankreich hat angekündigt, 20 Botschaften, Konsulate und Schulen in der islamischen Welt zu schließen. Paris befürchtet, die in der Satirezeitschrift Charlie Hebdo veröffentlichen Mohammed-Karikaturen könnten Vergeltungsschläge provozieren.
Das Auswärtige Amt in Berlin will an einzelne diplomatische Vertretungen zusätzliches Sicherheitspersonal schicken, hat sich aber nicht festgelegt, ob auch Botschaften geschlossen werden. In Baden-Württemberg sind mittlerweile zwei Demos gegen das Anti-Islam-Video angemeldet worden. Am Freitag will eine namentlich nicht genannte Gruppe in Freiburg demonstrieren, am Samstag in Karlsruhe. (dapd)
Durch das dichte Netzwerk von Radios und Fernsehsendern sowie „Grasswurzelorganisationen“ wie Tea-Party-Gruppen finden ihre Argumente den Weg in fast jedes Haus. Im Augenblick liegt der Schwerpunkt der Islamophoben auf der Verstärkung des „Anti-Scharia-Rechts“ in den USA. In den Jahren 2011 und 2012 haben sie in 31 Bundesstaaten 78 Gesetzestexte eingebracht, die dazu gedacht sind, den angeblichen Einfluss islamischer Praktiken zurückzudrängen.
Die Gesetze legen fest, was in den USA ohnehin Rechtsgrundsatz ist: dass kein ausländisches Recht Vorrang vor US-Recht haben darf. Bislang haben Arizona, Louisiana, Oklahoma, South Dakota, Tennessee und Kansas Anti-Scharia-Gesetze angenommen. In den meisten dieser Bundesstaaten ist der muslimische Bevölkerungsanteil noch niedriger als im US-Durchschnitt, wo er weit unter einem Prozent liegt.
Ihnen gemeinsam ist, dass sie fest in der Hand des rechten Flügels der Republikanischen Partei sind. Die Autoren dieser Gesetze sind dieselben Republikaner, die sich für mehr Schikanen gegen Immigranten und für die Streichung des Rechts auf Schwangerschaftsabbruch starkmachen.
Anti-Scharia-Politik im Parteiprogramm
Sie haben die fixe Idee, es gäbe eine islamische Bedrohung in den USA, so populär gemacht, dass ein Sheriff in Texas – wo die protestantischen US-Amerikaner und die katholischen Latinos unter sich sind – Wahlkampf mit dem Versprechen macht, dass er gegen die Scharia vorgehen wird.
Ihren vorerst letzten großen Erfolg konnten die Islamhasser im Spätsommer verbuchen: Rechtzeitig zum Krönungsparteitag von Mitt Romney haben die Republikaner die Anti-Scharia-Politik in ihr Parteiprogramm aufgenommen. Die Islamhasser haben es geschafft, ihre Ideen innerhalb von zehn Jahren bis an die Spitze der Republikanischen Partei zu bringen. Im Vorwahlkampf hatten sie drei Pferdchen im Rennen.
So hat die Exkandidatin Michele Bachmann gar eine Kampagne gegen eine enge Mitarbeiterin von Außenministerin Hillary Clinton gemacht. Die Behauptung, Huma Abedin sei eine Agentin der Muslimbrüder, war so hanebüchen, dass sich neben Präsident Obama auch der Republikaner John McCain öffentlich hinter sie stellte.
In Detroit fühlt sich der Afroamerikaner Dawud Walid durch den Anti-Muslim-Film an eine Situation im Präsidentschaftswahlkampf von 2008 erinnert. Damals verteilte der „Clarion Fund“, einer der Geldgeber der Muslimhasser-Netzwerke, den Film „Obsessions“ in hunderttausenden von Exemplaren an die Wähler.
Islamophobe Netzweke
Insgesamt, so hat das Center for American Progress in einer Studie im Jahr 2011 herausgefunden, haben die islamophoben Netzwerke zwischen 2001 und 2009 mehr als 40 Millionen Dollar bekommen. Ihre vor allem in Blogs veröffentlichten Texte über den Kulturkampf haben unter anderem den norwegischen Massenmörder Anders Breivik inspiriert. Er zitierte den US-amerikanischen Muslimhasser Robert Spencer 162-mal in seinem „Manifest“.
Dawud Walid ist überzeugt, dass die „Industrie der Fanatiker“ in seinem Land ihre Stärke auch aus rassistischen Ressentiments bezieht: „Die Tea Party ist eine populäre Bewegung gegen den ersten schwarzen Präsidenten“, sagt er. Der Hass, so Dawud Walid, richtet sich nicht nur gegen Muslime, sondern auch gegen andere Minderheiten – wie Latinos und die Sikhs.
Und er vermutet, dass das auch mit den demografischen Veränderungen in den USA zu tun hat. Im vergangenen Jahr kamen in den USA erstmals mehr Babys von (nicht weißen) Minderheiten zur Welt. Und es ist absehbar, dass die weiße Bevölkerung in wenigen Jahren nicht mehr die Mehrheit stellen wird.
Die Weltkarriere der Randfiguren
Die beiden koptischen Christen Joseph Nasrallah und Nakoula Basseley Nakoula, die mit dem Anti-Muslim-Film eine Weltkarriere machen, waren zuvor nur Randfiguren der Muslimhasser-Szene. Nasrallah hat bei den Protesten gegen das islamische Kulturzentrum Park 51 im Jahr 2010 in New York eine kämpferische Rede zur Verteidigung des Westens gehalten. Nakoula B. Nakoula hat sich erst kürzlich im Gefängnis – er saß wegen Bankbetrug – in den Koran eingelesen.
Das Southern Poverty Law Center beobachtet die gewaltbereite und rechtsextreme Szene der USA aus Montgomery, Alabama. Die Organisation hat schon lange ihr Augenmerk auf einen weißen christlichen US-Amerikaner in Kalifornien gerichtet, der paramilitärisches Training für den „kommenden Krieg“ mit seiner Kirchengemeinde organisiert.
Der Vietnamkriegsveteran Steven Klein ist gegen „die Regierung“, gegen „den Islam“ und gegen das Recht auf Abtreibung und er sieht jede Menge terroristische „Sleeper“ in Kalifornien. Nach eigenem Bekunden hat Klein die Filmemacher mit seiner Expertise beraten. Heidi Beirich vom Southern Poverty Law Center: „Über ihn haben wir uns seit mehreren Jahren Sorgen gemacht.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rekrutierung im Krieg gegen Russland
Von der Straße weg
Umfrage zu Sicherheitsgefühl
Das Problem mit den Gefühlen
Deutschland braucht Zuwanderung
Bitte kommt alle!
Der alte neue Präsident der USA
Trump, der Drachentöter
„Freiheit“ von Angela Merkel
Die Macht hatte ihren Preis
Ärzteschaft in Deutschland
Die Götter in Weiß und ihre Lobby