: Irmgard lüftet den Schleier
Auf ein Wort, liebes verehrtes Publikum, Wir alle, Frauen wie Männer, die Gattin des Staatsoper–Intendanten (die uns protegiert) wie die kleine Verkäuferin mit ihrem Mann, wir wollen ein schönes, harmonisches Volksfest miteinander feiern. Ein Frauen–Festival, wo die Forderungen der Menschen nach „Gleichheit und Brüderlichkeit“ (so unser Konzept) uns zusammenführen; wo gezeigt werden soll, daß auch Frauen zu kulturellen Leistungen imstande sind... Man hat uns vorgeworfen, unpolitisch zu sein und die Ziele der Frauenbewegung zu verraten. Das ist nicht wahr. Ist es etwa unpolitisch, das Motto der Weltfrauenkonferenz „Für Gleichberechtigung - gegen Hunger und Armut - für Frieden“ für unser Kulturspektakel zu entleihen? Damit ergeifen wir Partei gegen alle, die sich für Hunger, Armut und Unterdrückung aussprechen. Gleichzeitig weisen wir auf die Probleme unserer unterentwickelten Schwestern aus den Entwicklungsländern hin, die noch einen langen Weg vor sich haben, bis sie so sind wie wir. Da gibts noch viel zu tun, und daß wir es mit einer halben Million aus dem Standort–Topf des Senats angepackt haben, ist doch kein Grund für Neid und Mißgunst. Wenn Frauen Geld haben oder kriegen, ist das doch immer gut. Die leer Ausgegangenen könnten sich doch wenigstens symbolisch angesprochen führen. Frau ist schießlich Frau, nicht wahr? Daß die vielen kleinen autonomen Kulturprojekte und Initiativen noch kürzer gehalten werden oder ohnehin nichts bekommen, dafür können wir ja nichts. Wenn man groß rauskommen will, muß man sich vorher kleinmachen. Wir sind ja auch nicht aus Spaß seit langen Jahren SPD–Mitglieder. Statt immer nur zu nörgeln, sollte man doch sehen, daß es „sehr anregend sein kann, große Frauenfiguren in Hamburg zu haben, von denen man etwas lernen kann“, wie wir in der Presse aufmunternd bemerkten. Auszug aus der „Festbegleitschrift“ zum Festival der Frauen, herausgegeben von Hamburger Autonomen Frauenprojekten.
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