Iranische Frauen und Fußball: Stadion für alle
In Teheran gingen nun erstmals seit 1981 Frauen legal in ein Fußballstadion. Aber erst musste ein Sitzstreik her, damit sie die WM im TV sehen konnten.

Am Vortag hatte es in lokalen Teheraner Medien geheißen, der gemeinsame Stadionbesuch für Familien sei möglich – erstmals seit 1981. Dann aber, etwa drei Stunden vor Anpfiff, hieß es bei der Nachrichtenagentur Tasnim: „Das heutige Spiel zwischen dem Iran und Spanien wird wegen infrastruktureller Schwierigkeiten nicht nicht im Azadi-Stadion übertragen.“ Die Bevölkerung wurde gebeten, nicht dorthin zu gehen.
Viele Menschen gingen zum Stadion, auch nach dieser Ansage. Auf Twitter und in anderen Online-Netzwerken ist der Sitzstreik dokumentiert, mit dem viele Frauen – und auch viele Männer – ausharrten, bis ihrer Forderung nachgegeben wurde: Eintritt ins Stadion.
Sie spielten auch auf Vuvuzelas, waren mit iranischen Flaggen und anderen Fanutensilien ausgestattet. Viele diskutierten mit den Polizisten, die den Stadioneingang bewachten.
Ein Stadion für alle
Über eine Stunde dauerte der Protest, dann, etwa eine Viertelstunde vor Anpfiff, gab die Polizei den Weg frei. Die Stadiontore wurden geöffnet, Frauen, Kinder, Männer strömten ins Stadion, und viele dokumentierten den historischen Moment mit Smartphone-Fotos. Wie viele es waren, lässt sich nicht sagen. Iranische Medien berichten, dass im Vorfeld schon 20.000 Tickets für dieses Public-Viewing-Event verkauft worden waren.
Unterstützung durch das Männerteam
Wie die Washington Post berichtete, war für eine kurze Dauer, nachdem die Tore aufgingen, sogar auf dem offiziellen Twitter-Account der iranischen Nationalmannschaft das Foto einer Frau zu sehen, die auf der Stadiontribüne steht und eine iranische Flagge hochhält; der auf Farsi geschriebene Text dazu lautete: „Azadi-Stadion jetzt!“
Empfohlener externer Inhalt
WM 2018 – Die Spielorte

Die Spiele sind eröffnet, hier wird gespielt. Viele der Stadien wurden extra zur WM in Russland aus dem Boden gestampft.
Auf der Pressekonferenz nach dem Spiel gegen Spanien hatte Irans Kapitän Masoud Shojaei allerdings eine Frage zur Frauenbeteiligung nicht beantworten wollen. „Diese Frage jetzt hier zu beantworten, wäre respektlos gegenüber der WM und den Menschen hier“, hatte Shojaei gesagt. „Hier steht die gesamte Nation auf dem Platz, die gesamte Familie, und solche Themen wollen wir innerhalb der Familie lösen.“
„Alles, was sie wollen, ist, als Gleiche behandelt werden“, twitterte die Menschenrechtsorganisation IranHumanRights. Der Kampf von Frauen um Teilhabe am Männerfußball ist so alt, wie das Verbot, das das islamische Regime im Jahr 1981, zwei Jahre nach der Revolution, verhängt hatte. Immer wieder hatten Frauen versucht, zu Spielen der iranischen Männerliga auf die Tribüne zu gelangen.
Zuletzt hatten im März dieses Jahres etwa 35 iranische Frauen versucht, in das Azadi-Stadion, Heimspielort des populären Persepolis FC Teheran, zu gelangen. Informationen über Verhaftungen wurden vom Regime dementiert, das Innenministerium sprach davon, die Frauen seien an einen „sicheren Platz“ gebracht worden.
Oft sind Frauen, die um ihr Recht auf Teilhabe kämpfen, als Männer verkleidet in die Stadien gegangen. Manchmal erfolgreich, oft wurden sie von Polizisten wieder hinausgedrängt. Dieser jahrzehntelange Kampf ist auch Gegenstand des Spielfilms „Offside“ des iranischen Regisseurs Jafar Panahi aus dem Jahr 2006. Der handelt von einem Qualifikationsspiel für die WM 2006, das deutsche „Sommermärchen“. Im Iran ist der Film verboten, bei der Berliner 2006 erhielt er den „Silbernen Bären“.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Kanzler Olaf Scholz über Bundestagswahl
„Es darf keine Mehrheit von Union und AfD geben“
Weltpolitik in Zeiten von Donald Trump
Schlechte Deals zu machen will gelernt sein
Einführung einer Milliardärssteuer
Lobbyarbeit gegen Steuergerechtigkeit
+++ Nachrichten im Ukraine-Krieg +++
Trump macht Selenskyj für Andauern des Kriegs verantwortlich
Wahlarena und TV-Quadrell
Sind Bürger die besseren Journalisten?
Werben um Wechselwähler*innen
Grüne entdecken Gefahr von Links