Irak: Iran bereitet Maliki Kopfzerbrechen
Die Annäherung der Regierung in Bagdad an den ehemaligen Kriegsgegner Iran stößt inzwischen auch unter den Schiiten auf Unmut. Eine heikle Gratwanderung.
Ein Karikaturist bringt die Furcht, die viele Iraker neuerdings umtreibt, auf den Punkt. Die Zeichnung zeigt einen Mann mit den Zügen des iranischen Präsident Mahmud Ahmedinedschad, der bereits im Irak ist und von hier aus an der iranisch-irakischen Grenze zerrt, um sie nach Westen auszudehnen. Erschienen ist die Karikatur ein einer Zeitung, die als Sprachrohr der Sunniten gilt. Für sie ist der Irak bereits heute eine iranische Kolonie und die schiitischen Politiker, die nach dem Sturz von Saddam Hussein an die Macht kamen, sind "Iraner". Neuerdings nehmen freilich auch unter den Schiiten die Stimmen zu, die in ihrem östlichen Nachbarn eine Bedrohung sehen. Deutlich wurde dies in dem Streit um das Fakka-Ölfeld im Südirak.
Ende Dezember hatte ein Trupp iranischer Revolutionswächtern den Bohrturm Nr. 4 besetzt und die iranische Flagge gehisst. Das Fakka-Feld gehört zu den den Ölfeldern, die sich über die Grenze hinweg erstrecken und gemeinsam genutzt werden sollen. Der Bohrturm im Grenzstreifen steht seit der Erschließung des Felds in den 70er-Jahren still. Seit Jahren findet hier ein Fahnen-Wechsel-dich-Spiel statt - mal hissen die Iraker ihre Flagge, dann wieder die Iraner.
Wie in der Vergangenheit hätte die irakische Regierung auch diesmal den Mantel des Schweigens über den Vorfall hüllen können. Doch dann geriet sie aus dem schiitischen Lager unter Druck. Schiitische Veteranen des Iran-Irak-Kriegs demonstrierten gegen die Besetzung, Scheich Abdul Kerim Mahud Mohammedawi, der als "Prinz der Sümpfe" einer der führenden Rebellen gegen das Saddam-Regime in der Region war, drohte mit einem Aufstand, sollte die Regierung die Besetzung nicht beenden.
Nach einigem Zögern verurteilte Regierungschef Nuri al-Maliki die Grenzverletzung. Um die Wogen zu glätten, traf sich der iranische Außenminister Manutschehr Mottaki mit seinem irakischen Amtskollegen Hoschjar Sebari in Bagdad. Beide Seiten wollen die Gespräche über den Grenzverlauf intensivieren.
Die Sunniten, die mit dem Sturz von Saddam die Macht im Irak verloren, sehen die Machtübernahme durch die schiitische Mehrheit im Irak heute als späten Sieg des Iran über den Irak. Nach der irakischen Invasion im Nachbarland 1980 hatten beide Staaten acht Jahre lang Krieg geführt. Der Sturz des Saddam-Regimes und der Aufstieg der schiitischen Mehrheit im Irak an die Hebel der Macht haben zu einer rasanten Annäherung an Teheran geführt. Als erster iranischer Präsident besuchte Ahmedinedschad den Irak. Mit Geld und Waffen hat das Nachbarland schiitische Parteien und Milizen unterstützt, die zum Teil jahrelang im iranischen Exil lebten. Im Guten wie im Schlechten hat sich Teheran in die Innenpolitik des Irak eingemischt. So vermittelte Teheran einen Waffenstillstand zwischen der Regierung und der Miliz des Predigers Muktada al-Sadr, übte jüngst aber massiven Druck auf die Politiker aus, sich erneut zu einer schiitischen Großkoalition zusammenzuschließen.
Ein schiitisch dominierter Irak, der nicht mehr zur Bedrohung für Teheran wird, sehen Beobachter als wichtigstes Ziel der iranischen Außenpolitik. Mit seiner Einflussnahme auf die irakische Innenpolitik hat das Nachbarland aber möglicherweise den Bogen überspannt. Besonders im Südirak, wo der iranische Einfluss besonders groß ist, wurde der Unmut in jüngster Zeit stärker. Schiitisch Politiker werfen Iran vor, dem Irak das Wasser abzugraben. Dass Teheran an der Grenze einen Atomreaktor bauen will, stößt ebenfalls auf Unmut. Der Streit um das Fakka-Feld deuten daraufhin, dass das Verhältnis zu Iran ein Wahlkampfthema werden wird. Besonders schiitische Politiker wie der "Prinz der Marschen", die nicht im iranischen Exil weilten, wollen eine stärkere Abgrenzung zum ehemaligen Kriegsgegner. Für al-Maliki bedeutet das eine heikle Gratwanderung.
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