■ Irak und der Abschuß einer MiG über der Flugverbotszone: Aus Bagdad nichts Neues
Wenn der jüngste Luftzwischenfall über der Flugverbotszone im Südirak eines zeigt, dann dies: In Bagdad hat sich auch fast zwei Jahre nach dem Golfkrieg, nach den Aufständen der schiitischen und kurdischen Bevölkerung, der Einrichtung von Flugverbotszonen im Norden und Süden des Landes nichts, aber auch gar nichts geändert. Daraus macht die irakische Führung auch kein Hehl. Der stellvertretende Ministerpräsident Tarik Asis erklärte am Montag in aller Offenheit, sein Land erkenne das Flugverbot zum Schutz der Schiiten nicht an und betrachte es als einen Eingriff in die nationale Souveränität. Und der irakische Diktator Saddam Hussein erklärte am Sonntag unverfroren, wenn der alliierte Schutzschirm für die Kurden im Norden eines Tages abgezogen werde, dann führe er dort wieder „die Herrschaft des Gesetzes“ ein.
Über die Natur dieses „Gesetzes“ in einem politischen System, das auf Angst und Terror basiert, braucht man keinerlei Zweifel zu hegen. Und so fügte Saddam Hussein auch gleich hinzu, daß „diese Elemente“ – gemeint sind die rebellischen Kurden, die mittlerweile unter alliiertem Schutz eine Autonomie etabliert haben – „herausgeworfen“ werden, wenn die US-Amerikaner, Briten und Franzosen erst einmal abgezogen sind.
Die neuerlichen Verstöße gegen das Flugverbot im Süden sind dabei nur der letzte und eklatanteste Schritt in einer ganzen Serie von Zwischenfällen und Ereignissen, die in den letzten Wochen und Monaten angesichts der Ereignisse in Somalia und Bosnien untergangen sind. Allein in den letzten sechs Monaten gab es 57 Zwischenfälle und Anschläge gegen MitarbeiterInnen von UNO-Hilfsorganisationen. Berichte über Truppenkonzentrationen am Rande des Kurdengebietes, über die Auswirkung der Wirtschaftsblockade gegen die autonome Region und über eine Offensive von 50.000 bis 100.000 Soldaten im Süden gab es außerdem. Hier, im schiitischen Teil des Landes, hat die Einweihung eines neuen Kanals zwischen Bagdad und Basra Anfang Dezember zudem die Befürchtung ausgelöst, daß die Sümpfe zwischen Euphrat und Tirgis, das traditionelle Rückzugsgebiet für Deserteure und Oppositionelle, ausgetrocknet werden sollen. Bezeichnenderweise trägt das Kanalprojekt den Namen „Anfal 3“ – in offensichtlicher Anlehnung an die Anfal-Kampagne Ende der achtziger Jahre, die zu einem regelrechten Völkermord an den Kurden führte.
Weitgehend unbemerkt von der Weltöffentlichkeit also, nach einer militärischen Niederlage des Regimes und im Schatten von Flugverbots- und Schutzzonen, nutzt Saddam Hussein den ihm verbliebenen Spielraum in gewohnter, brutaler Manier aus. Angesichts strategischer Erwägungen und der Schwäche der Opposition ist eine politische Lösung nicht in Sicht – unter anderem die Folge eines Krieges, der ohne Gedanken an ein „Danach“ geführt worden ist. Beate Seel
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