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Irak-ÖlMultis beuten gemeinsam aus

Seit dem Sturz von Saddam Hussein hoffen internationale Ölkonzerne auf Reibach. Der US-Konzern Chevron und die französische Total bringen sich jetzt in Stellung

Britische Soldaten erobern 2003 im Krieg ein Ölfeld im Südirak Bild: dpa

Schon bevor der Irak sein Ölgesetz verabschiedet hat, haben sich die Ölmultis Chevron und Total darauf geeinigt, gemeinsam das viertgrößte irakische Ölfeld Majnoon zu erschließen. Wie die Nachrichtenagentur Dow Jones Newswire jetzt berichtete, beschlossen beide bereits Ende letzten Jahres den Kooperationsvertrag für die lukrative Quelle an der Grenze zum Iran. Die irakische Regierung sei in die Pläne eingeweiht, momentan arbeiteten die Firmen daran, den Zustand des Feldes zu bewerten und einen möglichen Förderbeginn im Jahr 2009 zu prüfen.

Der Schritt verdeutlicht, wie ungeduldig internationale Konzerne auf den vielversprechenden irakischen Ölsektor drängen. Nach Schätzung des Branchenmagazins Oil and Gas Journal hat das Land mit rund 115 Milliarden Barrel die viertgrößten Reserven der Welt. Die Öleinnahmen machen rund 70 Prozent des Bruttosozialprodukts aus. Durch den Krieg und Misswirtschaft ist die Fördermenge von täglich 2 Millionen Barrel allerdings hinter den Stand von 2003 zurückgefallen.

Um die Quote zu erhöhen, müssten die maroden Anlagen dringend modernisiert und Pipelines ausgebaut werden. Diese Notsituation lässt ausländische Konzerne auf das große Geschäft hoffen. Ein Hindernis ist die bislang fehlende rechtliche Basis. Aufträge dürfen erst vergeben werden, wenn das Gesetz in Kraft getreten ist.

Nach Ansicht von Experten manövrieren sich Chevron und Total mit der Kooperation schon vorab in eine äußerst gute Position für Verhandlungen mit der irakischen Regierung. "Mit ihrer Vorarbeit werden sie eindeutige Vorteile gegenüber anderen Firmen haben", sagte Greg Muttitt von der in London ansässigen Energie-NGO "Platform" der taz. Die Bewertungsergebnisse und das geografische und infrastrukturelle Wissen seien in möglichen Verhandlungen ein "unschlagbarer Trumpf".

Für Tariq Shafiq, Direktor des Beratungsunternehmens Petrolog und Koautor der ersten Version des Ölgesetzes, ist der jetzige Vertrag nur eine der Maßnahmen, die von den Großkonzernen "hinter den Kulissen" ergriffen werden. "Seit Jahren schicken sie ihre Berater in den Irak, die dann dort ihre Pläne vorstellen", sagte Shafiq der taz. Auch er nennt die noch fehlende Rechtsgrundlage als einzige Barriere für handfeste Verträge.

Daran dürfte sich so bald auch nichts ändern - trotz des enormen Drucks der USA, die das Gesetz auch als Instrument zur politischen Aussöhnung von Schiiten, Sunniten und Kurden sehen.

Das irakische Kabinett hatte sich im Februar zwar weitgehend auf einen Entwurf geeinigt. Einige zentrale Punkte sind jedoch noch offen. Nicht zuletzt, wie eine Beteiligung ausländischer Firmen genau aussehen soll. Kritiker fürchten, diese könnten durch langfristige Verträge mit Laufzeiten von 25 bis 40 Jahren, so genannte Production Sharing Agreements, bis zu 20 Prozent der Einnahmen steuerfrei abschöpfen dürfen. Anfang September wird das irakische Parlament erneut über das Gesetz debattieren. Dabei wird nicht nur zu klären sein, welche Modellverträge mit internationalen Konzernen das Gesetz vorschlägt, sondern wer die Verträge letztlich abschließen darf.

Um eine internationale Ausbeutung von Iraks Bodenschätzen zu verhindern, plädieren insbesondere die im rohstoffarmen Zentral- und Westirak lebenden Sunniten für eine zentrale Lösung. Nach ihren Vorstellungen soll in Zukunft eine nationale Ölkommission Verträge und Einnahmenverteilung regeln. Die Kurden im erdölreichen Norden drängen hingegen darauf, Verträge mit Ölmultis wie bisher individuell abschließen zu dürfen, insbesondere bei noch zu erschließenden Ölquellen.

Wie tief die Kluft zwischen beiden Positionen ist, verdeutlichten die Kurden in der vergangenen Woche. Sie verabschiedeten in ihrem Regionalparlament kurzerhand ein eigenes Ölgesetz nach ihren Vorstellungen. Ein Schritt, der die ohnehin konfliktträchtigen Verhandlungen zusätzlich erschweren dürfte.

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