: Investorenprojekt kippt Nachbarhaus
■ Risse in den Wänden eines Wohnhauses durch Bauarbeiten am Schönhauser Tor / Investoren ignorieren Baustopp / Bewohner fordern einstweilige Verfügung
An der Hinterhauswand klafft eine viereinhalb Zentimeter breite Lücke. In den meisten Wohnungen und in der Brandmauer sind Risse. Die Mieter der Schönhauser Allee 5 in Prenzlauer Berg fürchten um ihre Wohnungen. Der Grund: Die unmittelbar an der Brandmauer des Gebäudes und ohne entsprechende Absicherung durchgeführten Tiefbauarbeiten des benachbarten Büro- und Geschäftshaus-Projekts Schönhauser Tor der Investorengruppe North Property Consulting (NPC) führten an dem Wohnhaus zu „Setzungserscheinungen“.
Bereits Anfang Dezember verfügte die Bauaufsicht des Bezirks daraufhin einen Teilbaustopp: „In einem Abstand von acht Metern zur Brandmauer“, sagte Baustadtrat Matthias Klipp (Bündnis Prenzlauer Berg) gestern zur taz, dürfe erst wieder gebaut werden, wenn die Klammerung der tragenden Wände abgeschlossen sei und zudem die Zustimmung des Grundstückamts vorliege. Seine Behörde könne die Baustelle allerdings nicht täglich überprüfen, räumte Klipp ein, und sei deshalb auch auf Hinweise von anderen angewiesen. Zusätzlich zum Bezirk hatte die Wohnungsbaugesellschaft Prenzlauer Berg (WIP) mit der NPC bereits am 21. Dezember vereinbart, die Bauarbeiten so lange zu unterbrechen, bis die Schäden an dem Wohngebäude repariert seien.
Seit einer Woche jedoch, bestätigen die Mieter des ehemals besetzten und im Januar 1990 legalisierten Wohn- und Kulturprojekts, hätte die NPC die Bauarbeiten in einem Abstand von fünf Metern zum beschädigten Gebäude wieder aufgenommen. Die Bewohner des vom Senat mit dem Stadtpflegepreis 1992 ausgezeichneten Gebäudes fordern nun Zwangsmaßnahmen des Bezirks und eine einstweilige Verfügung der WIP gegen die Bauherren. „Wir befürchten, daß die NPC auf den Abriß des Gebäudes spekuliert“, sagte „Aljoscha“ Rempe, Bewohner und Sänger der Rockgruppe Feeling B, zur taz. „Die Reparaturen sind immerhin mit einer Million Mark veranschlagt“, meint er und fürchtet, daß die Investoren die Antragsteller auf Rückübereignung nun unter Druck setzten, ihre Ansprüche zu verkaufen.
Eine Einsturzgefahr für die Schönhauser Allee 5, hieß es aus dem Bezirksamt, liege allerdings nicht vor. Mit der Verfügung eines Baustopps habe die Bauaufsicht noch im Dezember mehrere Gipsplomben an den Rissen angebracht, um so mögliche weitere „Setzungserscheinungen“ feststellen zu können. Treten an den Gipsplomben Risse von fünf Millimetern auf, so das Protokoll der Bauaufsicht, müsse das Gebäude baupolizeilich geräumt werden. In einem zusätzlichen Vermerk der WIP heißt es dazu, die Mieter würden dann in ein Mieterhotel in der Storkower Straße umgesetzt werden. Der zuständige Mitarbeiter der WIP wollte sich gestern gegenüber der Presse nicht äußern.
Die Investorengruppe NPC, hinter der die Immobilien-GmbH der Sparkassen steckt, will am Schönhauser Tor auf einer Grundstücksfläche von 18.500 Quadratmetern ein Büro- und Geschäftshaus mit einem Volumen von 100 Millionen Mark errichten. Dabei, so betonte Baustadtrat Klipp, sei die NPC bisher mehrfach „über das Ziel hinausgeschossen“ und hangle sich am „Rande der Ordnungswidrigkeit“ entlang. So habe es vom Bauamt bislang nur eine Genehmigung zum Teilabriß des vorherigen Eckgebäudes am Schönhauser Tor gegeben. Der erste Stahlskelettbau Berlins, der es wegen diverser Umbauten in den fünfziger Jahren allerdings nie auf einen Listenplatz beim Denkmalamt gebracht hatte, wurde von der NPC dagegen bis auf das Stahlskelett abgerissen. Auch bei den beiden Antragstellern auf Rückübertragung der Schönhauser Allee 5 waren die Investoren bereits vorstellig geworden. Doch die voraussichtlichen Alteigentümer blieben bisher standhaft: „Es gab keinen Deal in Sachen Kaputtsanierung oder Übernahme der Ansprüche“, versicherte einer der Antragsteller der taz. „Mit uns“, sagte er weiter, „wird es eine Vertreibung der Mieter nicht geben.“ Uwe Rada
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