Interview: „Es dürfte nur einen Weltmeister geben“
■ IOC-Präsident Samaranch über seine Bedenken, Schach olympisch zu machen
Lausanne (taz) – Wer den Titel „olympische Sportart“ tragen darf, hat Vorteile, was finanzielle Zuwendungen, Interesse von Wirtschaft und Medienresonanz betrifft. Also möchte auch der Schach-Weltverband Fide in die olympischen Sportbewegung. Doch das Internationale Olympische Komitee (IOC) und seine 28 Sommer- und sieben Wintersportarten gewähren nur wenigen Zutritt in den elitären Zirkel. Während der WM im Olympischen Museum in Lausanne versuchte der kalmückische Staatspräsident und Fide- Präsident Kirsan Iljumschinow Stimmung beim IOC-Vorsitzenden Juan Antonio Samaranch (77) zu machen. Der Spanier, regelmäßiger Zuschauer des WM-Finales zwischen Weltmeister Anatoli Karpow und Herausforderer Viswanathan Anand, stößt sich aber vor allem an der „Definition des Sportbegriffs“ und dem Streit zwischen Verband und dem Konkurrenz- Weltmeister Garri Kasparow, dem Iljumschinow soeben im Fachmagazin Rochade attestiert, er habe „die Schachwelt belogen“ und „die Interessen der Großmeister verraten“.
taz: Herr Samaranch, in 64 der 197 Nationalen Olympischen Komitees ist Schach Mitglied. Bald auch im IOC?
Samaranch: Die Möglichkeit besteht. Aber noch nicht gleich. Die Fide wurde wie mancher andere Verband bereits durch das IOC anerkannt. Das ist ein erster Schritt. Vom Wettbewerbscharakter her sehe ich für Schach kein Problem, aber das IOC muß auch auf andere Kriterien achten.
taz: Zum Beispiel? Die wichtigste Voraussetzung im IOC- Reglement verlangt, daß Sommersportarten in mindestens 75 Ländern auf vier Kontinenten betrieben werden müssen. Die Fide besitzt 156 nationale Verbände mit fünf Millionen Mitgliedern – nur Fußball hat mehr.
Samaranch: Ich erwarte von der Fide vor allem eine Antwort bezüglich der Definition von Schach als Sport.
Iljumschinow: Wir erarbeiten seit sechs Monaten ein Papier, mit dem wir dem IOC darlegen, daß Schach tatsächlich ein Sport ist. Das Resultat überreichen wir dem IOC am Ende der Weltmeisterschaft.
taz: Willi Weyer, damals Präsident des Deutschen Sportbundes, faßte bereits 1977 eine eigene Untersuchung so zusammen: „Es besteht kein Zweifel, daß Schach alle Voraussetzungen erfüllt, ein Sport zu sein.“
Samaranch: Die Definition des Sportbegriffs ist das Problem. Der war früher anders als heute. Aber es stimmt schon, Schach besitzt Wettkampfcharakter und strengt physisch an.
taz: Wie hat Ihnen die WM hier in Ihrem mondänen Olympischen Museum gefallen?
Samaranch: Das ist ein sehr großer Wettbewerb, der weltweit Aufsehen erregt.
taz: Herr Iljumschinow, sind Sie mit dem von Ihnen eingeführten K.o.-Modus zufrieden?
Iljumschinow: Mehr als das, weil der neue Modus den Kampfgeist der Spieler fördert und Zuschauer wie Medien den Wettbewerb annehmen.
taz: Was unternimmt die Fide, damit der Weltranglistenerste Garri Kasparow, der seine eigenen Titelkämpfe bestreitet, zurückkehrt?
Iljumschinow: Kasparow steht es frei, in die Fide zurückzukehren.
Samaranch: Das Allerwichtigste ist, daß es nur einen Verband gibt und der einen Präsidenten hat, der alles unternimmt, um jeden Spieler zu integrieren. Es dürfte meiner Ansicht nach nur einen Weltmeister geben.
taz: Wenn Iljumschinow Kasparow die Hand reicht, stünde einer Aufnahme der Fide nichts im Wege?
Samaranch: Ein erster Schritt ist sicher gemacht. Doch zunächst muß die Mehrheit unserer Verbände überzeugt werden. Schach klopft wie viele andere auch an. In meiner Amtszeit (Anm. der Red.: voraussichtlich bis 2001) erfolgt die Aufnahme sicher nicht mehr. Aber im nächsten Jahrtausend – warum nicht? Interview: Hartmut Metz
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