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Interview zum Nationalen Sicherheitsrat"Zu nah an Ideen der Bush-Regierung "

Ein nationaler Sicherheitsrat, wie ihn die Union gefordert hat, sei unsinnig, meint der Friedensforscher Harald Müller. Er schlägt vor, erst einmal die Auslandseinsätze der Bundeswehr zu bilanzieren.

US-Sicherheitsrat: Kein so gutes Vorbild für die deutsche Politik. Bild: dpa

taz: Herr Müller, die Empörung über das neue Sicherheitskonzept der Union war groß. War das nicht hysterisch?

Bild: privat
Im Interview: 

Harald Müller, 59, ist Politologe und Konfliktforscher. Er lehrt internationale Beziehungen an der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt, außerdem ist er Mitglied der Hessischen Stiftung Friedens- und Konfliktforschung. Von ihm stammt das Buch "Amerika schlägt zurück. Die Weltordnung nach dem 11. September" (2003). Zuletzt veröffentlichte er "Weltmacht Indien: Wie uns der rasante Aufstieg herausfordert" (2006)

Harald Müller: Die Frage nach Hysterie wäre an einen Psychiater zu richten.

Anders formuliert: Kann man im Zeitalter des globalen Terrorismus die innere Sicherheit wirklich noch von der äußeren trennen?

Zunächst einmal: Wir wissen genau, was innen und was außen ist. Wir kennen die Grenzen Deutschlands. Ussama Bin Laden sitzt in Westpakistan, das ist außen. Einzelne Terrorzellen sitzen in Deutschland, das ist innen. Zwischen beiden gibt es Verbindungen durch Kommunikation, Inspiration, möglicherweise auch Finanzhilfen. Die Grenzen verschwimmen also nicht, vielmehr bestehen genau benennbare Beziehungen zwischen ihnen.

Hat das mit al-Qaida nicht eine neue Qualität erreicht?

Nicht unbedingt. Schon zu Zeiten des Dritten Reiches fürchteten Nazideutschlands Nachbarstaaten dessen Sympathisanten als "fünfte Kolonne" in ihren Ländern. Und die RAF erhielt im Nahen Osten ihre Kampfausbildung und stand mit anderen europäischen Terrorgruppen in Verbindung.

Hat sich an der Sicherheitslage also gar nichts verändert?

Doch. Nur verlangen die Beziehungen zwischen innen und außen eine gezielte, sorgfältige Bekämpfung, für die die verschiedenen Organe der inneren und äußeren Sicherheit zuständig sind.

Ist diese Aufgabenteilung nicht gerade ein Problem? Die Konkurrenz zwischen Außen-, Innen- und Entwicklungsministerium, dazu die Geheimdienste - die ziehen doch keineswegs immer am gleichen Strang, oder?

Deswegen muss es zwischen den zuständigen Behören je nach Bedrohung eine gesetzlich geregelte Austauschbeziehung geben.

Genau das verlangt doch auch die Union, oder nicht?

Aber im Papier klingt es so, als verlange diese keineswegs neue Lage nach grundstürzenden Umwälzungen unserer Sicherheitsorganisation - das geht bis hin zum Knabbern am Grundgesetz.

Trotz neuer Bedrohungslage wollen Sie also am Status quo festhalten. Wie passt das zusammen?

Es gibt am Status quo eben viel Erhaltenswertes, wie man als Konservativer weiß. Zudem hat das Papier vier Probleme. Das erste ist eine allzu enge Anlehnung an Ideen der Bush-Regierung. Das zweite ist eine gelegentlich unklare Begrifflichkeit. Das dritte ist der Versuch, inhaltliche Probleme mit organisatorischen Maßnahmen zu lösen. Das vierte ist die Kostenfrage: Raketenabwehr, mehr Auslandseinsätze, zusätzliche Einsätze im Innern und nicht zuletzt der Sicherheitsrat kosten Geld, viel Geld. Davon ist in dem Papier erstaunlicherweise nicht die Rede.

Ist das Papier für Sie also komplett unbrauchbar?

Keineswegs. Neue Instrumente für ein erweitertes Sicherheitsverständnis aufzuzeigen, ist ein vernünftiger Schritt, der der Entmilitarisierung des Sicherheitsziels dienen sollte, wie etwa die Reservehaltung bei Rohstoffen.

Einen nationalen Sicherheitsrat halten Sie aber nicht für ein solch vernünftiges Instrument, oder?

Nein. Der Blick auf die amerikanischen Erfahrungen zeigt eine sehr durchwachsene Bilanz. Der riesige und teure Apparat hat dort große Erfolge aufzuweisen, etwa die Umordnung des amerikanisch-chinesischen Verhältnisses Anfang der Siebzigerjahre. Aber er hat auch gravierende Fehler wie den Vietnamkrieg und den Irakkrieg von 2003 nicht verhindern können. Ein Sicherheitsrat mit einem eigenen Beamtenapparat wäre ein neuer Spieler im Geflecht der Außen- und Sicherheitspolitik. Es wäre eine Illusion, zu meinen, damit wäre deren Harmonisierung einfacher. Im Gegenteil: das USA-Beispiel zeigt, dass hier neue Reibungsflächen entstehen.

Globale Konflikte, davon geht die Union aus, werden eher mehr als weniger. Stichpunkt Auslandseinsätze: kann sich Deutschland künftig weiteren Engagements entziehen?

Ich würde mir zunächst einmal wünschen, die Ergebnisse unserer Auslandseinsätze kritisch zu bilanzieren. Ein kurzer Blick weist eine enorme Erfolgsvarianz zwischen "besseren" und "katastrophalen" Ergebnissen auf. Für Letzteres steht Somalia.

Und was lief besser?

Bosnien-Herzegowina etwa. Aber auch dort ist der Erfolg getrübt. Nirgends konnten die Interventionsziele vollständig erreicht werden. Insofern wäre es sinnvoll, etwa einer Enquetekommission die Frage zu stellen, wie die Einsatzerfolge im Vergleich zu den Einsatzzielen zu bewerten sind - und ob sich über Erfolgsbedingungen etwas Vernünftiges sagen lässt, bevor man eine Ausweitung der Einsätze in Aussicht stellt. Es ist keineswegs sicher, dass diese Einsätze die deutsche und westliche Sicherheit tatsächlich erhöhen.

INTERVIEW: VEIT MEDICK

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