Interview mit KPÖ-Abgeordneten Kaltenegger: "Dritte Kraft bleiben"
Mit der Hamas ist das soziale Engagement der KPÖ nicht zu vergleichen, meint der Abgeordnete Ernest Kaltenegger.
taz: In Graz ist die KPÖ drittstärkste Kraft, im Rest des Landes aber spielt sie keine Rolle. Warum nehmen sich Ihre Parteifreunde kein Beispiel an Ihnen?
Ernest Kaltenegger: Das ist nicht so einfach, wenn man keine öffentlichen Funktionen innehat. Mit dem Sozialfonds konnte ich ja nur beginnen, weil ich Stadtrat wurde und einen Teil meines Einkommens dafür spenden konnte. Aber mit dem Mieternotruf haben wir schon 1992 begonnen. Das geht auch ohne große Ressourcen. Man braucht nur jemanden, der sich für Mietrecht interessiert. Wobei auch andere Sektionen der KPÖ im Wohnungswesen aktiv sind.
Böswillig könnte man das soziale Engagement der KPÖ in Graz mit dem Vorgehen der Hamas vergleichen: Wo der Staat versagt, kümmern Sie sich um die Leute.
Dieser Vergleich ist nicht korrekt, weil es bei uns eine andere politische Zielrichtung gibt. Wir sind ja keine Partei, die zu den Waffen aufruft.
Warum macht die KPÖ nicht mehr aus ihrer politischen Macht? Vor fünf Jahren hätten Sie Siegfried Nagl von der ÖVP als Bürgermeister verhindern und den Kandidaten der SPÖ wählen können.
Dann wären wir tot. Wir haben uns im Wahlkampf gegen den Ausverkauf öffentlichen Eigentums ausgesprochen. Einige Monate darauf einen nicht unwesentlichen Anteil des öffentlichen Vermögens zu verhökern - das geht nicht. Es gibt auch den Sachzwang zur Glaubwürdigkeit. Sonst sagen die Leute, wir können wählen, wen wir wollen, es passiert immer etwas anderes, als versprochen wurde.
Wie nützen Sie Ihr Gewicht im politischen Alltag?
Wenn sich die Großen nicht einigen, brauchen sie uns. ÖVP und Grüne oder SPÖ und Grüne reicht nicht. Dann hängt es davon ab, wie wir entscheiden. In der täglichen Politik können wir uns auf der einen oder anderen Seite wiederfinden.
Die Grazer FPÖ-Politikerin Susanne Winter sorgte mit ihren Äußerungen zum Propheten Mohammed international für Schlagzeilen. Befürchten Sie, Stimmen an die FPÖ und Jörg Haiders BZÖ verlieren?
Man muss befürchten, dass Menschen, die sich an den Rand gedrängt fühlen, ihnen auf den Leim gehen. Die FPÖ und das BZÖ kritisieren uns besonders wegen der Wohnungsvergabe an Migranten. Die wollen eine Wohnungsvergabe am besten mit einem Ariernachweis. Uns ist schon bewusst, dass viele Menschen mit Zuwanderern ein Problem haben. Leider. Es gibt Konflikte, und es sind oft die sozial Schwächeren, denen man einreden kann, dass ihre Lage auf Zuwanderung zurückzuführen ist. Aber man darf nie den Fehler machen, solche Menschen zu Rassisten zu erklären, sondern muss versuchen, auf ihre Ängste einzugehen.
Was ist Ihr Ziel bei den Wahlen am Sonntag?
Das letzte Ergebnis mit fast 21 Prozent war mit Abstand das beste, das die KPÖ je erreicht hat. Das werden wir kaum wieder erreichen. Aber wir wollen dritte Kraft bleiben.
INTERVIEW: RALF LEONHARD
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