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■ Interview mit Harald Ringstorff, Landes- und Fraktionsvorsitzender der SPD Mecklenburg-Vorpommern„Wir wissen selbst, was gut für uns ist“

taz: Herr Ringstorff, jetzt müssen Sie doch in die ungeliebte Große Koalition mit Ihrem Konkurrenten Berndt Seite. Können wir uns auf ein unterhaltsames Regierungsbündnis freuen?

Harald Ringstorff: Das ist doch hochgespielt worden. Das Verhältnis der SPD zur CDU ist auf unsere beiden Personen reduziert worden. Dabei wurde vergessen, daß es Verwundungen gibt, die die CDU der SPD zugefügt hat. Das Mißtrauen vieler Sozialdemokraten gegenüber der CDU ist groß. An dem Verhältnis von Berndt Seite und Harald Ringstorff wird eine Große Koalition in Mecklenburg-Vorpommern nicht scheitern.

Woher kommt dieses große Mißtrauen gegenüber der CDU?

Den Politikstil, mit dem die CDU 1990 in Mecklenburg-Vorpommern ihr Regierungsgeschäft begonnen hat, haben viele SPD- Mitglieder als eine Arroganz der Macht empfunden, die wir eigentlich hinter uns gelassen glaubten.

Wie soll das Klima in einer Großen Koalition besser werden?

Ein neuer Politikstil ist eine Bedingung für unseren Eintritt in eine Große Koalition. Es geht nicht mehr an, den politischen Kontrahenten zu diffamieren. Wir müssen uns sachlich über verschiedene Ansichten auseinandersetzen.

Ihre Vorliebe war ja wohl eine von der PDS tolerierte Minderheitsregierung...

...ich habe vor den Wahlen ein Magdeburger Modell nicht ausgeschlossen...

...aber kurz nach den Wahlen das Schweriner Modell ins Spiel gebracht.

Ich habe nach den Wahlen gesagt, die Regierung Seite ist abgewählt. Mir wurde immer nachgesagt, ich hätte unbedingt Anspruch auf den Posten des Ministerpräsidenten erhoben, das stimmt nicht. Ich habe nur den automatischen Führungsanspruch der CDU verneint.

Sie schlossen nicht aus, sich mit den Stimmen der PDS zum Ministerpräsidenten wählen zu lassen, also wollten Sie doch Ministerpräsident werden?

Ich habe aber hinzugefügt, daß darüber die Gremien der Partei entscheiden.

Wie stark war der Druck aus Bonn?

Was in den Medien stand, war überzogen. Natürlich ist die Situation im Osten eine andere als im Westen. In Mecklenburg-Vorpommern wählen über 20 Prozent der Menschen PDS. Da kann man nicht so tun, als gäbe es die Partei nicht. Durch Stillschweigen bekommt man die PDS nicht klein. Die Debatte über das Demokratieverständnis der PDS muß geführt werden, die Reformkräfte in der PDS sollten eine Chance erhalten.

Rudolf Scharping hat Ihnen mit „großem Ärger“ gedroht, und er hat sogar über einen Parteiausschluß spekuliert. Es gab doch eine Einmischung aus Bonn?

Wir sind in der Bundesrepublik föderativ verfaßt, es gilt nicht das Führerprinzip. Die SPD in Mecklenburg-Vorpommern hat immer deutlich gemacht, daß sie gerne Ratschläge entgegennimmt. Aber wir sind selbstbewußt genug, um zu entscheiden, was für Mecklenburg- Vorpommern gut ist.

Aber letztlich hat sich der Scharping-Kurs durchgesetzt?

Wer sich durchgesetzt hat oder nicht, will ich hier nicht weiter erörtern. Wir haben vor den Wahlen gesagt, daß wir mit allen im Landtag vertretenen Parteien sprechen werden. Das haben wir getan, auch wenn einige dies nicht so gerne sehen. Wir wollten bei der PDS die innerparteiliche Situation ausloten. Die Antwort auf unsere Fragen befriedigt noch nicht, aber SPD-Fraktion und Landesvorstand haben am Montag auf ihrer gemeinsamen Sitzung diesen Dialog mit der PDS begrüßt und die Absicht bekundet, ihn weiterzuführen.

Werden Sie auch in einer Großen Koalition weiter Gespräche mit der PDS führen?

Wir werden den Dialog mit der PDS fortsetzen.

Nur über die „notwendigen Klarstellungen“ oder auch über landespolitische Fragen?

Wir werden uns auch weiter über landespolitische Probleme unterhalten. Aber uns liegt sehr daran, mit der PDS zum Thema Vergangenheitsbewältigung im Gespräch zu bleiben. In der PDS wird dies offenbar genauso gesehen.

In den neuen Bundesländern ist jede Mehrheit links von der CDU auf die Unterstützung oder Duldung durch die PDS angewiesen. Müssen Sie nicht früher oder später mit der PDS zusammenarbeiten, wenn Sie nicht als Juniorpartner der CDU versauern wollen?

Die PDS ist für uns noch eine sehr heterogene Partei. Ich kann mir durchaus vorstellen, daß es innerhalb der PDS zu Veränderungen kommt und dann einige Sachen in einigen Jahren anders beurteilt werden.

In einigen Jahren könnte es also zu einer landespolitischen Zusammenarbeit mit der PDS kommen?

Wenn die PDS sich entsprechend entwickelt, halte ich es nicht für ausgeschlossen.

Rudolf Scharping hat Sie in den letzten Tagen noch einmal an die Dresdner Erklärung zur Abgrenzung von der PDS erinnert...

...diese Abgrenzung ist notwendig, um zu klären, ob die PDS auf dem Boden des Grundgesetzes und der Landesverfassungen steht und ob sie den Einfluß der Kommunisten auf die Landespolitik ausschließen kann. Die PDS ist der Auffassung, Kommunisten können Demokraten sein, wenn sie von der Avantgarde-Theorie Abstand genommen haben. Diese Frage beurteilen wir in der SPD anders.

Warum nehmen Sie die Kommunistische Plattform so ernst?

Es sagt etwas über das Demokratieverständnis einer Partei aus, welchen Gruppen sie Obdach gewährt.

In Mecklenburg-Vorpommern ist die PDS doch überwiegend konservativ, bieder und brav. Ist es nicht zuviel der Ehre, wenn man sie mit Hysterie zu einem Schreckgespenst aufbläst?

Ich habe die PDS nicht zu einem Schreckgespenst aufgeblasen...

...aber einige Ihrer Parteifreunde in Bonn.

Ob es nun die Parteifreunde waren, wage ich zu bezweifeln, eher die Konservativen. Sie haben auch die Parallelen zwischen DDR-Diktatur und Faschismus gezogen. Für mich liegt die Gleichsetzung zwischen Faschismus und dem, was wir hier in der DDR hatten, sehr weit von der Wirklichkeit entfernt. Dazwischen liegen Dimensionen. Die Faschisten schufen Berge von Leichen und überfielen Völker. In der DDR gab es Ungerechtigkeiten und Unterdrückung durch die Staatssicherheit, aber wir haben in der DDR nicht mehr wie zur Zeit des Stalinismus gelebt. Auch die Menschen in der alten Bundesrepublik müssen zu einer differenzierteren Beurteilung der DDR- Wirklichkeit kommen. Man kann doch nicht so tun, als wenn in der DDR in den letzten 20 Jahren Zustände wie im Archipel Gulag geherrscht hätten.

Die SPD wird in den nächsten vier Jahren für die Regierungspolitik mit verantwortlich gemacht werden, und die PDS freut sich schon darauf, überall die Finger in die Wunden der SPD zu legen. Befürchten Sie nicht, daß 1998 die PDS die SPD zum Sondierungsgespräch einlädt?

Gerade weil die Situation so sein könnte, kommt es darauf an, die Landespolitik in wesentlichen Punkten zu verändern. Die PDS ist schließlich durch die CDU förmlich gemästet worden. Interview: Christoph Seils

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