Interview mit Andreas Marggraf : Zusammen ins Digitale
Andreas Marggraf ist unser neuer Geschäftsführer. Wie geht es mit ihm weiter für die taz?
Andreas, kannst du dich noch daran erinnern, wann und warum du zum ersten Mal die taz gelesen hast?
Anfang der 80er Jahre war ich bei Verwandten zu Besuch, die in einem ökologisch friedensbewegten Pfarrhaus lebten und die taz hatten. Das war ein Einblick in eine etwas andere Welt. Zu Hause gab's zwar auch Öko- und Friedensbewegung, aber nur die langweiligen und konservativen Badischen Neusten Nachrichten. Richtig gelesen habe ich die taz aber erst, als ich im Herbst 1989 zum Studium an die linke Bremer Uni ging. Da passte die taz mit ihrem Lokalteil sehr gut dazu.
Welchen Grund sollte deiner Meinung nach heute jemand haben, erstmals zur taz zu greifen?
Der Hauptgrund sollte sein, in der taz Themen und Geschichten zu lesen, die man in anderen Medien nicht oder nicht aus der taz- Perspektive findet. Aber auch Kommentare, die aus einer linken, alternativen Perspektive geschrieben sind. Und natürlich auch Texte (und Überschriften) in einem originellen, unkonventionellen, manchmal auch provokanten Stil zu lesen, an denen man Spaß haben kann oder über die man sich furchtbar aufregen kann.
18.000 Menschen sichern die taz ökonomisch ab. Viele von ihnen hängen an der gedruckten Ausgabe und wünschen sich, dass sie die Zeitungs- taz, die sie ja mit ihren Einlagen absichern, behalten können. Was sagst du diesen Genoss*innen?
Am Wichtigsten ist es, dass es das journalistische Angebot der taz auch weiter geben wird und dass wir damit so viele Menschen wie möglich erreichen. So lange es wirtschaftlich und logistisch möglich ist, werden wir die taz auch noch täglich drucken. Wir müssen aber auch versuchen, unser Angebot an die veränderten Lesegewohnheiten anzupassen. Und die sind eben in erster Linie digital. Das Gute ist ja aber, dass es nach unserem Szenario die gedruckte taz auf jeden Fall am Wochenende weiter geben soll. Und dass wir weiter auch täglich erscheinen werden, montags bis freitags eben digital, aber mit den gleichen wichtigen Inhalten und der taz-typischen Art und Weise der Präsentation. Ich kann verstehen, dass das für viele eine große Veränderung bedeutet. Ich bin selbst ein großer Papierlesefan. Aus eigener Erfahrung weiß ich aber, dass eine Umstellung möglich ist und sogar viele Vorteile bringt. Ich kann die taz schon abends lesen; auf dem Sofa ist das tablet manchmal angenehmer zu halten als das Papier. Seit ich digital lese, leite ich viel mehr Artikel an Freund*innen weiter usw. Und wir werden in den nächsten Jahren all denjenigen bei der Umstellung helfen, die mit dem Digitalen noch nicht so vertraut sind.
Welchen Stellenwert hat für dich die Genossenschaft?
Die Genossenschaft spielt eine ganz wichtige Rolle und ist ein großer Glücksfall für die taz. Nicht nur verschafft sie der taz eine solide, unabhängige Kapitalbasis, mit der sie wichtige Zukunftsinvestitionen absichern kann. Auch die kritisch konstruktive Unterstützung der einzelnen Genoss*innen und die Diskussion und der Austausch mit ihnen ist für die weitere Entwicklung der taz sehr hilfreich.
Was fehlt der taz, wenn Kalle geht, was bekommt sie durch dich?
Der taz werden auf jeden Fall seine vielen Ideen, sein kreatives Denken und kritisches Hinterfragen fehlen. Auch seine stoische Gelassenheit, mit der er die taz durch viele Krisen gebracht hat, wird in schwierigen Situationen fehlen. Ich hoffe, dass ich die Kommunikation im Haus fördern und an manchen Stellen für etwas mehr Struktur sorgen kann.
Auf welche Herausforderung, die vor dir liegt, freust du dich am meisten?
Ich freue mich sehr, den Prozess der digitalen Transformation der taz mitzubegleiten. Ich finde es eine sehr interessante Aufgabe, die Zukunft des unabhängigen taz Journalismus zu sichern. Zum Glück ist die taz aus meiner Sicht dafür gut aufgestellt. Im Innovationsreport ist eine große Vielfalt an Ideen und Möglichkeiten zusammengetragen worden und die Geschäftsführung hat ein Szenario entwickelt, wie dies auch wirtschaftlich realisiert werden kann. Nun geht es darum, dies in konkrete Konzepte umzusetzen und ich bin sehr begeistert, mit wie viel Kompetenz und Engagement die Kolleg*innen hier im Haus daran arbeiten. Und ich freue mich, diese Konzepte gemeinsam zu entwickeln.