piwik no script img

Interview Weiterbilden an der Uni"Zu hohe Hürden"

Die Weiterbildungsbereitschaft ist zu gering, sagt Christian Ebner vom Wissenschaftszentrum Berlin. Die Hochschulen machen es aber den Nichtstudenten zu schwer, dort zu lernen.

Geeignet auch für über 35jährige: Ein gutes Buch in der Uni-Bibliothek. Bild: dpa
Interview von

taz: Die OECD misst, dass die Deutschen besonders fortbildungsmüde sind. Nur 2,3 Prozent der 33- bis 39-Jährigen lernen weiter. Woran liegt das?

Christian Ebner: Die Fortbildungsbereitschaft ist hierzulande tatsächlich sehr niedrig, das zeigen auch unsere Studien. Die Gründe dafür darf man aber nicht allein auf die Menschen schieben. Es gibt hier nämlich ungewöhnlich hohe Hürden. So ist es für Facharbeiter, also Leute mit einer Berufsausbildung, sehr schwer, an die Hochschulen zu gehen.

Was steht dem entgegen?

Sie müssen erst zwei Jahre an eine Fachoberschule gehen oder in einem dreijährigen Kurs das Abitur nachholen. Das nehmen nur wenige Arbeitnehmer auf sich. Und nur ein Prozent schafft allein durch Berufserfahrung den Sprung an die Uni.

Ist es denn wirklich so wichtig, sich an Hochschulen weiterzubilden?

Ja, unbedingt. Unsere Studien zeigen, dass die Bedeutung und der Marktwert einer normalen beruflichen Erstausbildung stark abnehmen. Das heißt, die beste Variante, sich weiterzubilden, ist tatsächlich eine echte Aufstiegsfortbildung an einer Hochschule. Das bringt finanziell am meisten und senkt die Risiken für Arbeitslosigkeit deutlich.

Aber die Politik preist doch immer wieder die Bedeutung einer Ausbildung zum Facharbeiter.

Ja, das tut sie, aber das lockt viele Bürger auf die falsche Fährte. Wir müssen uns darüber klar werden, dass der vermeintlich normale Weg "Schule-Berufsausbildung-lebenslanger Job" so nicht mehr stimmt. Heute muss ein Großteil damit rechnen, dass seine Berufskarriere unterbrochen wird - mehrfach. Diese Phasen sollte man unbedingt nutzen, um sich weiterzubilden.

Ist dieses Bewusstsein sehr verbreitet?

Leider nein. Das muss erst noch in die Köpfe der Menschen gebracht werden.

Was würden Sie tun, um das zu erreichen?

Am wichtigsten ist es, die Durchlässigkeit von der Berufsausbildung zu den Hochschulen zu erhöhen. Das ist die wichtigste Maßnahme. Denn davon würden 50 Prozent der Erwerbstätigen profitieren. Das sind die Leute, die wir brauchen. INTERVIEW: CIF

Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen

Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

3 Kommentare

 / 
  • DJ
    Dr. Jörg Marienhagen

    Wissenschaftliche Weiterbildung ist für viele Einrichtungen vor allem eine willkommene Einnahmequelle. Ein schönes Beispiel hierfür sind die zahlreichen MBA - Programme, die oft nur relativ bescheidenes Standardwissen (Buchführung, Kostenrechnung)vermitteln, das von vielen Volkshochschulen sehr viel preiswerter, aber eben ohne klingenden Titel angeboten wird.

  • D
    dresdnerin

    Das klingt ja so, als obs nur auf den Willen ankommt. Man gucke sich mal die Finanzierungshürden an (z.B. teure Lizenzen im EDV-Bereich) oder die Hürden der ARGE, da ein sich Weiterbildender ja für den Arbeitsmarkt nicht verfügbar ist. Und mit 2 Einserdiplomen ist man dann plötzlich überqualifiziert.

  • J
    Judith

    Tja, aber zum Beispiel in Hamburg, wo jahrelang eine Hochschule, nämlich die HWP existierte, die genau diese Weiterbildungsmöglichkeiten bot, wurden die Zugangsmöglichkeiten für Nicht-Abiturienten vom CDU-Bildungssenator erschwert - so weit ist also unserer Kanzlerin Bildungsrepublik gekommen.