Interview: Adrienne Goehler: Offenes Palaver
■ Die HfbK-Chefin zu ihren Plänen
taz: Sie rechnen weiterhin mit Bösartigkeiten von Seiten ihrer Kritiker. Und dennoch haben Sie sich für weitere sechs Jahre zur Präsidentin der Hochschule für bildende Künste wählen lassen. Warum?
Adrienne Goehler: Als Psychologin ist es mir nicht fremd, daß vielschichtige Probleme personalisiert und damit vereinfacht werden. Ich halte dies bewußt oder unbewußt für ein Ablenkungsmanöver gegenüber viel grundsätzlicheren Fragen, die sich aus dem weitgreifenden gesellschaftlich-kulturellen und politischen Wandel ergeben, und die die Hochschule seismographisch aufnimmt. Wenn ich mich noch einmal um die Präsidentschaft beworben habe, so in der Absicht und dem Wunsch dem großen Potential Lerchenfeld in seinen ganz unterschiedlichen Dimensionen Rechnung zu tragen und es mitzugestalten.
Wie wollen Sie mit Ihren Kritikern umgehen?
Ich will offene Gesprächsrunden anbieten. Denn es ist wichtig, die Leute, die gegen mich votiert haben, miteinzubeziehen in die notwendigen Strukturreformen.
Welche Reformen sind das?
Die Kunsthochschulen leiden allgemein unter einer Überalterung, die durch den Stellenstopp noch verstärkt wird. Eine Kunsthochschule lebt aber ganz entscheidend von dem Austausch, von neuen Ideen und Konfrontation mit den Wandlungen der Künste. Und das sage ich ohne jede Häme: es kann keiner 25 oder 30 Jahre lang den Enthusiasmus aufbringen, angehende Künstler produktiv und herausfordernd zu begleiten. Deshalb setze ich stärker auf befristete Stellen und Gastprofessuren.
Und abgesehen von der Altersfrage?
Weiter gilt es eine größere Durchlässigkeit zwischen den Fachbereichen zu erreichen – ohne die Verwischung der jeweiligen Spezifik – sowie Lehrpläne zu optimieren, Design, Visuelle Kommunikation und Architektur zu internationalisieren wie die Kunst, und vieles mehr. Mit der Einführung des Globalhaushalts im nächsten Jahr muß eine Reorganisation der Verwaltung stattfinden ...
Hat für Sie Frauenförderung Priorität?
Aber natürlich. Ich finde es ein beschämendes Ergebnis, daß die HfbK mit ihrem Frauenanteil von 7,7 Prozent an der Spitze aller Hamburger Hochschulen steht, was die Steigerungsrate in den vergangenen fünf Jahren anbelangt. Es kann auch nicht angehen, daß die fast 50 Prozent Studentinnen als Lehrende fast ausschließlich Männer als Gegenüber haben. Die Frauenförderung ist aber unter der Sparknute ungeheuer gefährdet.
Sie wollen die Hochschule zum Ort des offenen Palavers machen. Wie soll das aussehen?
Ich denke da nicht so sehr an Symposien. Es sollte vielmehr ein regelmäßiger freier Austausch mit allen Kräften im Haus sein im Sinne eines Jour-fixe. Ein roter Faden wird implizit und explizit immer das Spannungsverhältnis sein zwischen der notwendigen Freiheit, die eine Kunsthochschule zum Experimentieren braucht, und den Leistungs- und Effizienzklischees, die an sie herangetragen werden.
Fragen: Patricia Faller
Siehe auch Bericht Seite 2
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