Integration: Grüne brauchen Diversity-Training
Die Partei redet viel von "interkultureller Kompetenz" - aber so richtig gut zuhören können die Grünen noch nicht.
Was war das nun für eine Veranstaltung? "Wir hoffen, klüger zu werden!", umriss Bettina Jarrasch vom Landesvorstand der Grünen in der Eröffnungsrede die Idee zu der ungewöhnlichen Parteiveranstaltung. "Wir wollen MigrantInnen dazu einladen, das Schicksal selbst mit in die Hand zu nehmen", formulierte es der Fraktionsvorsitzende Volker Ratzmann. Die Grünen wollten mit ihrem Kongress herausfinden, was es braucht, damit MigrantInnen sich stärker in der Politik - und in ihrer Partei - engagierten.
Gut hundert Leute waren am Samstag der Einladung der Partei zu dem Kongress gefolgt, der unter der Überschrift "Berlin mitgestalten" speziell MigrantInnen ansprechen sollte. In acht Foren wurde über Themen wie Frauen, Gesundheit, Religion, Rassismus, Bildung oder Arbeitsmarkt debattiert.
Einspruch und eine Anregung gab es gleich am Anfang: MigrantInnen seien durchaus politisch aktiv - aber eben öfter in ihren eigenen Organisationen als in Parteien, so die Bemerkung aus dem Publikum. Dazu kam der Hinweis, dass die Grünen sich zwar in Sachen Ausländer- und Flüchtlingspolitik profilierten, aber andere Themen vernachlässigten, die für Einwanderer sehr wichtig seien: etwa Arbeitsmarkt- oder Gesundheitspolitik.
Dass es dann nicht immer gelang, die Anregungen derjenigen MigrantInnen im Publikum aufzunehmen, die "nicht grüner Herkunft" waren, mag daran gelegen haben, dass etwa die Hälfte der KongressteilnehmerInnen Grüne waren - mit und ohne Migrationshintergrund. Trotz der stets wiederholten Bitten um "Euren Input" fielen so doch etwas zu oft Sätze wie: "… fordern wir ja schon seit Jahren …" oder "… steht bereits im Parteiprogramm!".
Und gerade in den Themenbereichen Arbeit und Gesundheit zeigte sich, dass viele MigrantInnen längst keine Sonderbehandlung mehr wollen: An der vornehmlich von grünen TeilnehmerInnen geäußerten Forderung nach "Diversity"-Trainings für mehr "interkulturelle Kompetenz" von MitarbeiterInnen in Verwaltungen, Krankenhäusern und Schulen etwa wurde Kritik geübt. Wichtiger sei, dass Ärzte ihren PatientInnen und Lehrer ihren SchülerInnen mit "Respekt und Wertschätzung" begegneten. Und dies solle doch eine Selbstverständlichkeit im menschlichen Umgang miteinander sein, merkte eine türkeistämmige Nicht-Grüne an. In die abschließende Präsentation der Ergebnisse ging ihre Anregung aber nicht ein.
Sie war nicht die Einzige, der es so erging: Die angeblich zunehmende "Ausbildungsunfähigkeit" von (migrantischen) SchulabgängerInnen sei weniger diesen und den Schulen als den gestiegenen Anforderungen der Arbeitgeber anzulasten, erklärte ein türkischstämmiger Diskussionsteilnehmer. In der Debatte zum Thema Arbeitsmarkt redete man auf dem Kongress dann allerdings lieber über "Communitys" und "Migranten-Selbstorganisationen", in die man sich "hineinbegeben" oder mit denen man "Netzwerke bilden" müsse - der etwas altmodische Blick auf MigrantInnen als besondere gesellschaftliche Gruppe, die eben auch besonderer Behandlung bedarf.
Kein Wunder also, dass eine der wenigen handfesten Anregungen im Ergebnis des Kongresses so lautete: Die Grünen sollten sich doch zunächst selbst einmal einem Diversity-Training unterziehen, um festzustellen, wie weit es mit ihrer eigenen interkulturellen Kompetenz eigentlich her sei. Und das Forum Bildung forderte, Schulen sollten den Anteil von Kindern nicht deutscher Herkunft nicht mehr publizieren müssen - dies sei diskriminierend.
Die Grünen würden in den kommenden Wochen überlegen, "wie wir Ergebnisse des Kongresses in unser Wahlprogramm einspeisen können", so Organisatorin Jarrasch zum Abschluss. Es wird dabei spannend sein, wie viel klüger die Grünen tatsächlich werden wollen. Der Kongress hat vor allem gezeigt, dass sie viel reden können. Richtig gut zuhören können sie noch nicht.
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