Int. Energiekonferenz renewables 2004 (5) : Die jüngste: Aufwindkraft
Am Dienstag beginnt in Bonn die Internationale Konferenz für erneuerbare Energien – „Renewables 2004“. Regierungsvertreter aus 150 Staaten wollen einen Aktionsplan beschließen. Ziel ist, ab dem Jahr 2050 die Hälfte des Weltenergieverbrauchs aus regenerativen Quellen zu decken. In ihrer Serie erklärt die taz, welche Quellen und Potenziale es gibt.
Zugegeben: Der Name ist verwirrend: Aufwindkraftwerke sind im eigentlichen Sinne Solarkraftwerke, die den Kamineffekt einer Luftströmung nutzen. Die ursprüngliche Rohstoffquelle ist also die Wärmeenergie der Sonne. Diese trifft auf ein Kollektordach, erwärmt die Luft darunter. In der Mitte des Daches steht ein Kamin, in dem Turbinen eingebaut sind. Dort entsteht künstlicher Wind: Warme Luft hat bekanntlich die Eigenschaft, hochzusteigen. Dabei ist die Geschwindigkeit von der Temperaturdifferenz zwischen Turmspitze und Bodennähe abhängig. Je höher der Turm, je wärmer die Luft am Boden, umso leistungsfähiger das Aufwindkraftwerk.
Die ersten Ideen zur Nutzung des Wirkprinzips stammen aus den 20er-Jahren des letzten Jahrhunderts. In die Tat umgesetzt wurden sie dann vom Stuttgarter Konstrukteur Jörg Schlaich. Eine erste Pilotanlage – Spitzenleistung 50 Kilowatt – startete 1986 in Manzanares südlich von Madrid. Die Anlage verfügte über einen 195 Meter hohen Kamin (Durchmesser 10 Meter) und einen Kollektor von 240 Metern Durchmesser. Allerdings stürzte der angerostete Kamin 1989 ein.
In Australien soll der Technologie nun zum Durchbruch verholfen werden. Schon Ende nächsten Jahr will die Firma EnviroMission (www.enviromission.com.au) ein 200 Megawatt-Aufwindkraftwerk in Betrieb nehmen. Dafür soll im Bundesstaat Victoria das höchste Bauwerk der Welt entstehen: ein 1.000 Meter hoher Kamin, in dem sich 32 Turbinen drehen.
Die Vorteile scheinen bestechend: Nach 15 Jahren Laufzeit hat das auf 80 Jahre ausgelegte Projekt seine Investition eingespielt. Es gibt kaum Wartungs- und Personalkosten. Im Vergleich zum Kohlekraftwerk mit gleicher Leistung kann die Aufwindtechnik 900.000 Tonnen Treibhausgase jährlich sparen. Nachteil: Mit 400 Millionen Euro ist der Bau überaus teuer. Geld für eine noch nicht etablierte Technologie zu bekommen ist heute schwerer denn je.
Das Potenzial? Theoretisch gigantisch. Aufwindkraftwerke können mit einheimischen Rohstoffen und Arbeitskräften gebaut werden, sichern energetische Unabhängigkeit und sind klimaverträglich, argumentieren Fans. Beste Entwicklungshilfe also. Nicht-Fans sind kritischer: 400 Millionen in – etwa – Somalia zu investieren, sei einfach unrealistisch. NICK REIMER