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Installation der Künstlerin Antonia LowBrüchiger Modernismus

Antonia Low hat in Nordhorn eine grandiose Spiegelbodeninstallation geschaffen, die eindrucksvoll mit der Raumwahrnehmung spielt.

Antonia Low: Gewicht des Sehens. Installationsansicht. Bild: Hermann Claus / Städtische Galerie Nordhorn

Ab und zu lässt sich ein lautes Knacken in der aktuellen Ausstellung von Antonia Low in der Städtischen Galerie Nordhorn vernehmen. Es klingt wie die berstende Eisdecke auf einem zugefrorenen See, die langsam zu tauen anfängt. Das Geräusch ist stimmig, denn tatsächlich werden schlagartig Risse erzeugt. Sie entstehen allerdings nicht in einer schmelzenden Eisschicht, sondern in einem Spiegelboden, der sich über den gesamten Galerieraum erstreckt. Wer den Ausstellungsraum betreten möchte, kann das nur auf einzelnen ausgelegten Holzbrettern an den zwei Eingängen tun und über einen 1,50 Meter hohen Gerüststeg. Von dort oben lässt sich die Spiegelfläche wunderbar in ihrer Gänze überblicken.

Hierin liegt aber auch die paradoxe Natur der eindrucksvollen Installation. "Gewicht des Sehens" bietet den Betrachtern zwar einen faszinierenden Anblick, aber bereits beim Aufbau des Gerüsts zersprangen Teile des kostbaren Bodens. Unter der Last des Steges und der Bewegung der Besucher setzen die Risse sich nun weiter fort.

Anders als Lows minimalistischer Aufbau vielleicht erwarten ließe, basiert die ursprüngliche Idee dazu auf einem konkreten Erlebnis: dem Besuch einer archäologischen Grabungsstätte auf Zypern. 1962 wurden bei Páfos Ruinen aus der Römerzeit gefunden, die mit faszinierenden Mosaiken ausgestattet sind. Um sie betrachten zu können, baute man Holzstege, die sich aber oftmals direkt auf einem Teil der Mosaike befinden, ebenjenem, der als weniger sehenswert bewertet wird. Für Low wurde dabei besonders deutlich, wie die Archäologie neben ihren Entdeckungen immer auch von Zerstörungen geprägt ist. Vergleichbar dazu nimmt sie die Demolierung des Spiegelbodens zugunsten staunender Besucher in Kauf. Ursprünglich sahen aber alle ihre Spiegelplatten gleich aus. Wonach wird folglich bewertet, was kaputtgehen darf und was nicht? Low stellt das archäologische Auswahlverfahren damit ein Stück weit infrage. Ferner spielt sie mit der vielschichtigen Entwicklung von Werden und Verfall. Ihr Steg ist nur teilweise begehbar, an anderen Stellen aber halb verfallen oder noch nicht richtig ausgebaut.

Oftmals entwickelt Low ihre Arbeiten tatsächlich direkt aus einem archäologischen Ansatz heraus und stellt damit Entdeckungen im alltäglichen Umfeld an. Für ihre Installation "Stromselbstreflexion" (2010) legte sie die Stromversorgung des Berliner Ausstellungsraums Samsa offen. Sie entfernte den Verteilerkasten und sämtliche Buchsen und präsentierte die Funde auf einer Glasplatte in ihren Einzelteilen, die mit einer eigens für die Aktion angelegten, stromführenden Lichtquelle beleuchtet wurden. Lows Stromkreis reflektierte so seinen materiellen Aufbau und seine Struktur selbst. In "Gewicht des Sehens" wurde zwar nichts freigelegt, sondern etwas hinzugefügt, aber auch hier ist der reflexive Moment zentral. Man wird sich im Spiegel seiner selbst gewahr, sieht die mitverursachte Zerstörung des Bodens und bemerkt, dass der Installation als facettenreichem Wahrnehmungsinstrument auch etwas Unheimliches anhaftet. Die Spiegelfläche reflektiert den Raum selbst. Am eindrucksvollsten ist dabei die Wirkung, die die Spiegelung der Decke bewirkt. Ihre Höhe verdoppelt sich: Wir schauen also scheinbar in eine Tiefe von sechs Metern, statt auf eine Decke von drei Metern. Dabei entsteht der Eindruck, als könnten wir bis auf den Grund eines Schwimmbeckens blicken. So gesehen erzeugt bereits die Vorstellung von einem Schritt neben die ausgelegten Holzbretter Schwindelgefühle.

Nicht nur in dieser imaginären Wirkung schwankt das Werk zwischen Verzauberung und Erschrecken. Es birgt in seiner Konstruktion eine Ambivalenz, die das Schöne immer schon als etwas Vergängliches begreift. Der Idealzustand ist von Anfang an vorbei. Auf den ersten Blick eine modernistische Rauminstallation, die mit viel Glas und schwarzen Gerüstbauelementen perfekt in den von Stephen Craig entworfenen Ausstellungspavillon passt - ein Verweis auf Mies van der Rohes Barcelona-Pavillon von 1929 -, handelt es sich doch eher um einen transitorischen Ort. Bemerkenswert ist, dass die Skulptur trotz der Brüchigkeit, die ihr eingeschrieben ist, nichts von ihrer Schönheit verliert. Sie entwickelt eine Faszination für den eigenen Verfall.

Bis 29. Mai, Städtische Galerie Nordhorn

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