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Innovative Verwaltung ausgebremstEin bisschen Bürokratie schadet nie

Für seine pragmatische Umsetzung des Bildungspakets ist das Bezirksamt Mitte vom Senat abgestraft worden

So ein Bildungspaket bringt ganz schön viel Bürokratie mit Bild: dpa

Der Senat hat dem Bezirk Mitte untersagt, den sogenannten Berlinpass generell in den Bürgerämtern auszugeben. Der Berlinpass ist für Empfänger von Transferleistungen wie ALG II oder Sozialhilfe der Zugang für viele Ermäßigungen, aber auch zum "Bildungspaket" des Bundes. Nach den Vorgaben des Senats müssen Eltern von Kindern, denen Leistungen aus dem Bildungspaket zustehen, den Berlinpass im bezirklichen Jobcenter beantragen - und nicht im Bürgeramt wie alle anderen. Diesen zusätzlichen Weg wollte Mitte den Betroffenen ersparen. Das allerdings entsprach laut Senatssozialverwaltung "nicht den rechtsverbindlichen Vorgaben".

Den Berlinpass gab es schon vor der Einführung des Bildungspakets als Ermäßigungspass - etwa für Fahrscheine und Museumsbesuche. Ursprünglich wurde er in den Jobcentern und Sozialämtern ausgegeben. 2009 übernahmen die Bürgerämter, weil sie für die Bürger besser und öfter erreichbar sind. Schließlich muss der Berlinpass etwa alle sechs Monate verlängert werden.

Inzwischen brauchen auch Eltern, die für ihre Kinder Leistungen aus dem Bildungspaket beantragen wollen, den Berlinpass. Der sieht fast genau so aus wie der bisherige, allerdings gibt es ihn nach den "rechtsverbindlichen Vorgaben" des Senats ausschließlich im Jobcenter. Außerdem braucht man für die Beantragung einen gesonderten Bescheid. Der Leistungsbescheid der Eltern reicht nicht aus.

All das war dem Sozialstadtrat von Mitte, Stephan von Dassel (Die Grünen), zu bürokratisch. In seinem Bezirk konnten Familien mit ihrem Leistungsbescheid einfach ins nächste Bürgeramt gehen und bekamen die Berlinpässe für alle Familienmitglieder. Das Jobcenter Mitte gab dafür eine der Stellen ab, die es für das Bildungspaket zusätzlich bekommen hatte.

Laut Senat ist Mitte der einzige Bezirk, der sich über den vorgesehenen Ablauf hinwegsetzte. Am Anfang hätten sich auch die anderen Bezirke beschwert, sagt von Dassel. Da er aber sowohl den Bereich Soziales als auch Bürgerdienste verantwortete, habe er einfach die pragmatischste Lösung umgesetzt.

Dafür erhielt der Stadtrat vor einigen Tagen nun endgültig die rote Karte. Der vorgeschriebene Ablauf sei schließlich der schnellste für die Kinder, glaubt man in der Finanzverwaltung. Stephan von Dassel will sich fügen, erinnert den Senat aber an dessen Versprechen: "Bei Einführung des Bildungspakets hieß es: Wir setzen das erst einmal so um, erwarten aber zum Jahresende Verbesserungsvorschläge aus den Bezirken". Der Vorschlag aus Mitte liegt auf der Hand.

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1 Kommentar

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  • W
    Wolfgang

    Der Berliner Senat sollte sich lieber einmal um die absolut rechtswidrige Obergrenze für die Warmmiete kümmern. Die Festlegung einer Bruttoarmmiete wurde vom undessozialgericht rechtsvrbindlich untersagt. Aber wen schert schon höchstrichterliche Rechtsprechung, wenn sie ein Vorteil für die Betroffenen sein könnte?

     

    Ich würde zukünftig auch gegen jeden Sanktionsbescheid aus Berlin vorgehen. Wenn ein Politiker pauschal 10 % mehr Sanktionen fodert, geht etwas nicht mit rechten Dingen zu. Fraglich ist, ob eine solche Forderung nicht als Anstiftung zur Rechtsbeugung gewertet werden kann.

     

    Fraglich ist auch, ob vorsätzliche, wissentliche Rechtsbeugung durch die Jobcenter nicht auch als Sozialbetrug gewertet werden müsste. Wenn dies so wäre, stünden viele langjährige Haftstrafen für die Verantwortlichen im Raum. Übrigens, im Falle des Landkreises Fulda wäre die vorsätzliche, wissentliche Rechtsbeugung nachweisbar.