: Innenministerium hat Einbürgerungsdatei angelegt
■ Rechtsgrundlage der Datei unbekannt, doch niemand hat dies bisher beanstandet
Bonn/Berlin (AFP/taz) – Beim Bundesverwaltungsamt in Köln ist ohne Rechtsgrundlage eine Einbürgerungsdatei eingerichtet worden, in der die Daten von rund 2,8 Millionen Menschen gespeichert sind. Das Bundesinnenministerium teilte dazu am Sonnabend mit, die Datei sei bereits 1983, also kurz nach der Regierungsübernahme der christliberalen Koalition eingerichtet worden.
Ein schlechtes Gewissen plagte die Dateiendesigner bisher nicht: Die Sammlung sei bislang von keiner Seite beanstandet worden. Als wichtig habe sich vor allem das Sammeln von Daten über vor 1945 erfolgte Ein- oder Ausbürgerungen erwiesen, die zum Beispiel maßgeblich für Staatsangehörigkeitsnachweise von Nachkommen der damals betroffenen Personen sein könnten. Eine Sprecherin aus dem Hause Kanther räumte ein, daß auch Daten über aktuelle Fälle gesammelt würden.
Veranlaßt wurde die Einrichtung der kurz „Stada“ genannten Datei nach einem Bericht der Leipziger Volkszeitung seinerzeit vom Bundesinnenministerium. Gesammelt würden personenbezogene Daten über Erwerb, Nichterwerb, Bestand oder Verlust der deutschen Staatsbürgerschaft. Die Daten würden beim Verwaltungsamt von derselben Abteilung verwaltet, die auch für das Ausländerzentralregister (AZR) zuständig sei.
So würden zwar Daten aus dem AZR gelöscht, wenn der Betreffende Deutscher geworden sei, zuvor aber zumindest teilweise in die „Stada“ überführt. Eine Rechtsgrundlage für die Kartei soll laut Innenministerium in Verbindung mit der geplanten Reform des Staatsbürgerschaftsrechts geschaffen werden.
Die Ausländerbeauftragte der Bundesregierung, Cornelia Schmalz-Jacobsen (FDP), erklärte unterdessen, sie habe zwar von dieser Datei gehört, bisher aber nicht gewußt, wozu diese gut sein solle. Sie lehne es jedoch strikt ab, daß es „amtlich festgehalten zweierlei Sorten Deutscher gibt“. Die SPD- Rechtspolitikerin Herta Däubler- Gmelin sprach von einem „Zeichen für die Verrohung der Sitten“, daß ein Innenminister selbst dreist eingestehe, daß es für sein Handeln keine gesetzliche Grundlage gebe.
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