■ Inititiativen: Frauen-Aktionsparlament
Berlin (taz) – Angesichts der rassistischen Gewaltakte in diesem Land gehen Frauen in die Luft. Sprichwörtlich, jedenfalls in Berlin: Am 13.Februar werden einige auf dem Alexanderplatz in einen Heißluftballon steigen, begleitet von tausend Luftballons und Protesten dagegen, daß die Änderung des Asylrechts Flüchtlinge offenbar zum Fallschirmabsprung zwingen soll.
Das Spektakel ist eine von vielen Aktionen, auf die sich das „Internationale FrauenAktionsBündnis gegen Rassismus, Antisemitismus und Frauenverachtung“ geeinigt hat.
Schon wieder so ein diffuses „Irgendwie sind wir gegen alles“-Bündnis? Angenehmerweise nicht. Es handelt sich hier um die in Deutschland bisher unbekannte Form eines Aktionsparlamentes von Frauen, das sich strenge Spielregeln gegeben hat. Zum Beispiel, daß die wöchentlichen Treffen, zu denen bisher immer mehr als hundert Frauen gekommen sind, nicht länger als zwei Abendstunden dauern. Oder daß die Aktionsvorschläge, die zuvor Einzelne oder Arbeitsgruppen wenigstens in Ansätzen durchdacht haben, mit einfacher Mehrheit angenommen werden müssen. Also keine langen Laberdiskussionen, nach welchen Moral- und Ernährungsgrundsätzen eine Antirassistin zu leben hat.
Jene preußisch angehauchten Disziplinierungsformen sind auf amerikanischem Boden entstanden und von den Berliner Journalistinnen Gabriele Mittag und Waltraud Schwab importiert worden. Diese beiden New-York-Reisenden nämlich, begeistert von der dort aus Anlaß der Vorwürfe von Anita Hill wegen sexueller Belästigung gegen den später zm Obersten Gerichtshof berufenen Clarence Thomas gegründeten „Womens Action Coalition“ (WAC), aber entsetzt von der Welle der Gewalt im letzten deutschen Herbst, beriefen im Dezember ein Gründungstreffen des Berliner Frauenbündnisses ein.
Zu der Gruppe gehören auch viele Nichtdeutsche vom Türkischen Frauenverein und anderen Immigrantinnenorganisationen.
Antirassistische Aktionen stehen fürs erste im Vordergrund, wobei das Spektrum vom Protestbriefschreiben bis zu Aktionen des zivilen Ungehorsams reicht. Letztere sind übrigens die einzigen, die nicht plenar abgesegnet werden müssen.
So ist denn auch nur einem Flugblatt zu entnehmen, wie derzeit die CDU-geführte Berliner Ausländerbehörde gepiesackt wird. Unter falschem ausländischen Namen, falscher Adresse und echt klingendem Aktenzeichen schreiben die Frauen ihr Briefe, in denen sie Anträge auf Erteilung einer Aufenthaltsberechtigung oder Aussetzung einer Duldung und ähnliches stellen. Damit bringen sie die MitarbeiterInnen dazu, einen neuen Aktenvorgang anzulegen oder lange und vergeblich unter dem angeblichen Aktenzeichen zu suchen. Ob entnervte SachbearbeiterInnen bereits in die Luft gegangen sind, ist nicht bekannt. Ute Scheub
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