: Inge: König wird der nie
■ Heute: 'Spiegel‘-Autor Prince Denmark schreibt an seine Schwester JUGENDFREIEGLIMMERFILME
Liebe Inge,
Du hattest ganz recht, es ist sehr malerisch und karg hier in Skandinavien, aber auch sehr einsam. Der Gedanke daran, hier länger als für einen Urlaub zu bleiben, macht mich fast wahnsinnig und natürlich unendlich nachdenklich. Fast an jedem Punkt meiner Reise, wo ich einen Felsen finde oder eine andere Stelle mit romantischem Panorama, verweile ich eine Zigarettenlänge und blicke zurück — nicht ohne Bitterkeit. Seit jenem unglückseligen Auftrag, diesen Kaufmann zur Bank in Oslo zu begleiten und ihn mit seinen 70 Millionen Mark in Sicherheit zu bringen, gibt es kein Zurück mehr. Lange habe ich auf Kaufmann gewartet, aber wie Du sicher weißt: Er kam nicht wieder. Seitdem bin ich auf der Flucht, von einer melancholischen Zigarettenpause zur anderen irrend.
Aber spätestens seit dem Imhausen-Knall scheint mein Schicksal besiegelt. Hätte der Hans-Joachim [Renner, d.Red.] nicht diese schmutzigen Geschäfte gemacht mit dem irren Araber [Gaddafi, d.Red.], wäre unser Traum vom MDMA-Imperium nicht so schnell zerronnen. Endlich waren wir soweit, den gesamten deutschen Markt mit Millionen von Ekstasy-Pillen zu sättigen und den Deutschen über ihre neue unnütze Realität wegzuhelfen. Deutsche hätten Deutschen geholfen. Erinnerst Du Dich, Inge, wie wir das Zeug sogar mal in den Kaffee rührten? Du hast es doch immer so gerne gemocht. Der Hans-Joachim mochte sie ja nicht, hat lieber mit Giftgas gespielt und verschluckte sich schließlich absichtlich an seinem giftigen Orchideendünger. So will ich nicht enden, lieber streife ich durch die anmutige Bilanzlosigkeit der skandinavischen Wälder, betrachte schlichte Postkartendörfer des Polarkreises und verweile bei der Verschwiegenheit saurer Seen. Allein mit meinem alten Volvo und einem Koffer voll Ekstasy. Was mir fehlt, ist ein ordentlich gezapftes Pils mit schaumiger Blume, und so frage ich mich bei jeder frisch aufgerissenen Prince Denmark von neuem grübelnd am Rande eines Fjords: Heim oder nicht heim?
Kehre ich zurück, erwartet mich das Schlimmste. Rohwedder hetzt den MAD auf mich, und der alte Wille [Günter, Ex-Marlboro-Manager, d.Red.] hat sich mit seiner Phillip-Morris-Masche sauber auf den Chefstuhl von Springer geschummelt. So habe ich in einem Land, das einst meine Heimat war und in dem man heute gefühllos »Printz Däänemarck« statt melodiös Denmar-k am Kiosk ordert, nur noch Dich, liebe Inge. Mit lieben Grüßen Dein Peter
Seit drei Wochen ist Prince Denmark in den nordischen Weiten verschwunden. Nur die Erinnerung an ihn bleibt in einem kurzen Vorfilm erhalten.
Das Lake-Movie Prince Denmark (110 Sek.) ist in jedem guten Kino zu sehen.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen