■ Informantenschutz: Diskussion um Berufskodex
Lissabon (taz) – Darf ein Journalist mit den Ermittlungsbehörden zusammenarbeiten oder nicht? Darüber streitet derzeit die portugiesische Journalistengewerkschaft (SJ). Gegen drei Kollegen einer der größten Tageszeitungen des Landes, Diario de Noticias (DN), läuft ein Disziplinarverfahren. Der Grund: Vize-Redaktionschef Antonio Ribeiro und zwei seiner Mitarbeiter gaben gegenüber der Staatsanwaltschaft die Quelle eines Artikels über Korruption an der Universidade Moderna in Lissabon preis. Dabei handelte es sich um den Direktor der Gerichtspolizei, Fernando Negrão. Er wurde seines Amtes enthoben und muß nun wegen „Geheimnisverrats“ vor Gericht.
Die SJ sieht im Verhalten der DN-Journalisten „eine schwere Verletzung des Berufskodex“ von 1993, der den Schutz der Informanten gegenüber staatlicher Interessen oben anstellt. Die Beklagten berufen sich ebenfalls auf den Berufskodex. Dort ist ausdrücklich festgehalten, daß Informanten, die Falschinformationen an die Presse weitergeben, nicht unter den Quellenschutz fallen. So habe Negrão von geplanten Hausdurchsuchungen im Umfeld der Universidade Moderna berichtet, die es nie gab.
Der Berufskodex sei „keine individuelle Angelegenheit, sondern eine kollektive“, urteilt die Gewerkschaft in einem Kommuniqué, das letzte Woche zur öffentlichen Debatte über das berufliche Selbstverständnis lud. Kein Journalist könne sich anmaßen, „der alleinige Maßstab dafür zu sein, ob eine vertrauliche Quelle preisgegeben wird oder nicht.“ „Die Entscheidung wurde weder an der richtigen Stelle, noch zum richtigen Zeitpunkt, noch vor den richtigen Instanzen getroffen“, verurteilt selbst DN-Chef Mário Bettencourt Resendes die Aussagen seiner Redakteure, die er dennoch als „professionell“ in Schutz nimmt.
Nicht nur der Vorstand der SJ fürchtet nun um das Ansehen der Zunft. Und das in einer Zeit, in der ein neues Pressegesetz Journalisten zur verstärkten Zusammenarbeit mit der Justiz zwingen will. Reiner Wandler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen