Infantile Spekulanten: Rezessions-Karten
■ Die Renaissance des Trumpf-Quartetts
Leistung 235 PS. Stich. Hubraum 225 ccm. Hubraum 185 ccm. Mein Panzer kann 1.850 Meter weit schießen. Mein Feuerwehrauto hat einen 10.000-Liter-Wassertank. Mein Porsche hat drei Türen. Mein Passat Kombi hat fünf Türen aber weniger PS. Das waren noch Zeiten, als man in einer Ecke des Schulhofes stand und mit den Mitschülern um die Wette zockte. Autoquartetts waren das Höchste der Gefühle. Ein König derjenige, der das neue Lastwagen-Quartett hatte. Der pickelige Junge mit der Zahnspange wurde auf einmal zu everybody's darling, als er gleich nach der Wende von einem Trip in die alte Zone das Spiel „Ost-Power“ mitbrachte, bei dem Gewinner war, wer die meisten Ladas und Wartburgs hatte, und Verlierer, wer auf den Trabanten sitzen blieb.
Diese Zeiten sind lange vorbei. Auf andere aber lösen die Kartenspiele der achtziger Jahre noch heute Faszination aus. Die Bremer Ekkehard Gérard und Christian Meentzen, beide jenseits der 40, ließen den Kult der Vergangenheit Revue passieren.
Sie möbelten das in die Jahre gekommene Kartenspiel wieder auf. Das schauerliche Ergebnis: „abwerts – das Zockerspiel für Börsenprofis“. Damit können jetzt die FDP-Wähler von morgen auf dem Pausenhof stehen und Firmenanteile hin und her schieben.
Einen schlechten Start hat der Spieler, der bei der anfänglichen Verteilung die Karte von „LetsBuyit.com“ zugesteckt bekommt. Höchstkurs 5,65 Euro. Tiefstkurs magere zehn Cent. Die Schwankung der Aktie beträgt ganze 5.550 Prozent, der Jahresüberschuss 2000 hat ein dickes Minus
Pünktlich zum Weihnachtsfest soll das Börsenquartett aus Bremen auf den Markt kommen. Ein längst totgeglaubtes Spielvergnügen erlebt so seine Renaissance. Das schreit nach einer Fortsetzung: Wir wollen mehr zeitgenössische Quartetts! Damit wir schon bald auf bundesdeutschen Schulhöfen Gesprächen folgender Art lauschen können: Mein Taliban hat 52 Tage in der Höhlenfestung ausgeharrt. Mein Tennisspieler hat 249 Millionen nach Monaco geschafft. Mein grüner Bundestagsabgeordneter hat erst 143 Kröten geschluckt. Das Spiel ist aus. Game over.
Ebbe Volquardsen
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