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Independent-Musikszene denkt umÜberleben trotz YouTube

Wenn YouTube der Feind ist, kann selbst Jägermeister ein Freund sein: Die Indieszene denkt um in Zeiten, in denen kaum noch jemand CDs kauft.

"Immer das Erstbeste nehmen": Sänger Bernd Begemann. Bild: Promo

"Wenn ich eins im Indiegeschäft gelernt habe, dann: Immer das Erstbeste nehmen, was man kriegen kann!" Das empfiehlt Popliedermacher Bernd Begemann mit ironischem Unterton. Auch beim Plattenvertrag?, wird er gefragt. "Na klar, wer weiß, ob du jemals wieder einen angeboten kriegst." Sätze, über die das Publikum in der Kuppelhalle des Leipzigers Volkspalastes lacht. Weil Bernd Begemann sie nicht ernst meint und weil es hier auch eher um Wodka geht. Und um seinen Film.

Auf der Musikmesse (Pop Up, die sich wirklich so schick mit Klammer auf schreibt und bei der sich jedes Jahr die unabhängige Musikszene trifft, stellt Begemann "Müssen alle mit" vor. Ein Film, der erzählt, wie man als Musiker mit seiner Musik lebt anstatt von ihr. Von Bands mit Plattenvertrag, die nebenbei im Callcenter arbeiten müssen. Von Menschen wie denen, die dieses Wochenende nach Leipzig gekommen sind, um zusammen zu diskutieren, um ihre Labels, Fanzines oder selbst gemachte T-Shirts zu präsentieren, Konzerte zu besuchen und Bier zu trinken.

Ein paar Aussteller weniger als vergangenes Jahr sind es, und man hat den Eindruck, dass es auch weniger Besucher sind. Das könnte am neuen Ort liegen. Unter dem Motto "Zurück zum Beton" findet die Messe diesmal im runden und weitläufigen Volkspalast statt, mit mehr Raum für Diskussionen. Diskussionen, die bei Bernd Begemann oder auch beim Sänger der Punkband Muff Potter, der seinen Roman über den Bandalltag vorstellt, schon anklingen. Wie kann man als Musiker überleben? Ist es notwendig, sich zu verkaufen? Ernsthaft wird die Frage im Panel "One for the money, two for the show?" erörtert. Bands wie Die Sterne, die bei der vom namensgebenden Möchtegern-Kultalkohol gesponserten Jägermeister Rockliga mitgemacht haben, wird vorgeworfen, sich für eine Werbeveranstaltungen in Konzertgewand zur Verfügung zu stellen. Selbst der Organisator dieser Reihe Robert Krause stellt klar, dass es dort nicht darum geht, Bands zu unterstützen: "Ich will Schnaps verkaufen und keine Platten." Und doch sind viele Bands auf solche Kooperationen angewiesen. In Zeiten, in denen bekanntlich kaum noch jemand CDs kauft, muss die Band selbst zu einer Marke werden, die sich verkauft.

Ein Umstand, dem sich Musiker Thomas Mahmoud nicht fügen möchte. Er stecke sowieso in einer lebenslangen Krise und mache Musik, die ihm gefällt anstatt der Presse und den Werbeträgern. Das Schlimmste sei, dass alle mit drinstecken, dass Journalisten ihre redaktionellen Seiten an Anzeigenkunden verkaufen, dass sich keiner mehr wehrt. "Alle machen immer alles mit", prangert er an und erntet Jubel.

Auf einen Feind können sich dann alle, egal ob Indie oder Major, einigen: YouTube. Zwar hat das Musikvideo dort nach dem Tod des Musikfernsehens eine Renaissance erfahren, doch verdienen die Falschen daran. Wie damit umzugehen ist, weiß immer noch keiner. Das Rechtssystem ist viel zu langsam und der Urheberstreit zwischen Gema und Youtube nur der Anfang. Inzwischen stellen auf der (Pop Up Leute Konzepte vor, wie sich jeder sein ganz eigenes Musikfernsehen zusammenbasteln und ins Wohnzimmer holen kann.

Aber auch wenn jeder seinen eigenen Weg sucht, durchs Leben zu kommen, scheint das Verlangen nach dem gemeinsamen An-einem-Strick-Ziehen groß. Alle Künstler sollten mal ein Jahr lang nichts produzieren, schlägt Sterne-Sänger Frank Spilker vor und fordert gleichzeitig eine größere Unterstützung der Indiemusik. Der deutsche und europäische Film könne sich auch nur entfalten, weil es die Filmförderung gibt. Unterstützung erhält er von Marcel Engh von Sony BMG, der in Studien herausfand, dass Musik immer noch die stärkste Währung ist. Weil sie jeder hört.

Während er noch darüber redet, spielen nebenan die Leipziger Im not a band und scheinen schon allein durch ihren Namen die Problematik einfach wegzusingen. Überhaupt kann man auf den Konzerten oft die Lösung der diskutierten Themen entdecken. Als auf einem Panel vorrangig Frauen darüber reden, wie toll es wäre, wenn mehr Mädels Musik jenseits der Blockflöte machen, steht die Sängerin Safi auf der Bühne und brüllt sich in bester Rockmanier die Seele aus dem Leib. Und man ahnt, dass sie es schaffen wird. Vielleicht weil sie den erstbesten Plattenvertrag angenommen hat.

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6 Kommentare

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  • R
    Rod

    Musik machen ist ein Hobby, eine Freizeitbeschäftigung, die man aus Lust und Laune tut wenn es sonst nichts mehr anderes zu tun gibt. Es ist grundsätzlich verwerflich für Musik Geld zu verlangen oder nur des Geldes wegen Musik zu machen. Katastrophal ist es wenn Leute so verdreht im Kopf sind, dass sie Musik "studieren", nichts Vernünftiges lernen und sich dann zwischen ihren Engagements mit Hartz IV durchfüttern lassen.

    Und was die Konsumenten betrifft, so halte ich Leute, die Geld für Musik zahlen einfach dumm.

  • JT
    Jean Terre

    Naja.. als regelmässiger Pop Up-Besucher fand ich die 2009-Ausgabe eigentlich ziemlich dünn... noch nie wollten so viele einfach nur Business machen anstatt sich auszutauschen und gemeinsame Überlegungen zu machen... schade, aber das Business macht eben auch nicht vor den sogenannten "Indie"-Labels halt, und Leidenschaft beim Musikmachen oder vertreiben oder verkaufen ist auch nicht mehr angesagt... tjo

  • S
    Sunny

    Jahrzehntelang hat es sich für die Musikindustrie hervorragend ausgezahlt, die Musikkopie als das eigentliche Kulturprodukt zu vermarkten, was ja im Grunde nicht richtig ist. Aber die Sichtweise kam einigen zu gute und schadete anderen nicht.

     

    Die Kopienkäufer bekamen Musik auf die Ohren, die Musikindustrie verdiente fett und nach dem Studiomusikerstreik in den 40ern bekamen sogar die Musiker ihren paritätischen Teil, der allerdings immer eher niedrig war -- die Machtverhältnisse halt.

     

    Internet und MP3 führten zu einer dramatischen Entwertung der Kopien. Am dramatischsten wirkt sich diese Entwicklung für die bisherigen Kopienersteller aus und für jene (vergleichsweise wenigen) Musiker, die mit den Kopienverkäufen doch ganz nett Umsatz gemacht haben.

     

    Für die überwiegende Zahl der Musiker bedeutet Internet und MP3 aber, dass sie ihre Musik der ganzen Welt bekannt machen können -- der Erfolg von MySpace versinnbildlicht diesen kulturellen Zugewinn, der von den Musikhörern getragen wird.

     

    Wie immer bei technischen Neuerungen gibt es viele Gewinner und einige Verlierer. Dass um den Niedergang der Musikindustrie so ein Brimborium entstand, liegt vermutlich darin begründet, dass es die wichtigste Arbeit von Popvermarktern ist, viel Brimborium zu erzeugen. Reine Professionalität also, die die Absatzzahlen nochmal pushen soll -- so gut es halt neben Internet und MP3 noch geht.

  • D
    D.Castro

    Ein Artikel,der überhaupt keine Hintergründe liefert, sondern ganz Pop (im schlechtesten Sinne), ganz Oberfläche ist.

    Man hätte ja zum Beispiel argumentieren können, dass auch die sogenanten Independent-Musiker an der Messe die Feinde sind, weil sie im Urheberrechtsstreit nur ihren eigenen Ausverkauf in solche kommerziellen Bahnen lenken wollen, die sie noch irgendwie kontollieren zu können glauben. Das ist ein Verhalten, dass mit der Bezeichung und der Idee von Independent-Kultur kaum zu verinbaren ist. Aber klar, interessiert es irgendjemanden? Neulich las ich einen Artikel in einer französischen Zeitschrift, wo der Journalist Morrissey ganz erstaunt fragte: Indie, kommt von independent? Da ist sie, diese Oberflächlichkeit, die soviel kulturellen Schrott möglich macht.

    Wenn man argumentiert, dass youtube der Feind ist, dann sollte man jedenfalls auch wissen, warum.

    Nicht etwa, weil die Plattform, Musikvideos denen zugänglich macht, die potenziell nicht für den Markt verfügbar sind (also, jene die sich ohnehin keine Medien in einem derartig inflationären Ausmass kaufen, wie Warner, Universal oder MTV es gerne hätten. Eine gern verschwiegene Wahrheit ist hier übrigens auch, dass jene Konsumenten, die viel downloaden oder streamen trotz allem eher Medien käuflich erwerben als Leute, die von solchen Plattformen keinen Gebrauch machen...)

    Youtube ist der Feind, weil Youtube zum Beispiel rassitische Inhalte verbreitet (also nicht löscht und nicht dagegen vorgeht). Youtube ist der Feind, weil es Guerilla-Marketing zulässt und weil es mit grosser Wahrscheinlichkeit, ähnlich wie Myspace nur mit einem Ziel gegründet wurde:

    Einen grossen Marktanteil zu erlangen, um sich dann im richtigen Moment an einem Medienmogul wie Murdoch (so geschehen im Falle youtube, Verkaufspreis: 580 Millionen USD) möglichst gewinnbringend zu verkaufen.

    Youtube ist der Feind, weil es nichts ist, als ein weiterer Steigbügelhalter für die galoppierende Kommerzialisierung des Internet.

    Und die sogenannten Independent Labels, wie unabhängig sind die denn? Ist Unabhängigkeit eine Frage fehlender Marktanteile? Allein schon die Idee, eine Independent-Messe (kapitalistischer geht's nicht) zu organisieren...Merkt ihr noch was?

    Denkt bitte nur noch eben an eines: Wieso war Woody Guthrie bedeutend? Wegen seiner Plattenverkäufe?

    Na also!

  • AW
    Auch wenn der Name so schön passt...

    ...es waren die "I heart sharks" die im Volkspalast gespielt haben, nicht I'm not a band.

  • FN
    Felix Nagel

    Welch ein Geschwätz. Die meisten der Indiebands würden es nie über ihren Landkreis hinausschaffen ohne MySpace (wo sie ALLE freiwillig ihre Musik zum Raubmordkopieren hochladen), YouTube und Downloads. Gerade im kleinen Bereich brauchen sie doch die Verbreitung und die Mundpropaganda übers www.