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■ In über 30 US-Bundesstaaten ist das „Belästigen“ strafbarGesetz gegen „Quälgeister“

Washington (AFP) – Die Vereinigten Staaten machen gegen „Quälgeister“ mobil, die ihren Opfern mit unerwarteten Besuchen, ständigen Briefen oder Telefonanrufen zusetzen: mehr als dreißig Bundesstaaten verabschiedeten bereits Gesetze gegen Belästigung. Verboten ist nach den neuen Bestimmungen, eine andere Person in ihrer Privat- und Intimsphäre zu stören, indem ihr mit Drohgebärden Angst eingejagt, sie dauernd bedrängt oder „terrorisiert“ wird. Für die Praxis bedeutet dies: Die Opfer können sich künftig wehren, wenn sie auf der Straße verfolgt werden, belästigt oder ständig beobachtet werden. Von den neuen Gesetzen profitieren vor allem Frauen oder bekannte Persönlichkeiten, denen Störenfriede besonders gern zu Leibe rücken.

Die Texanerin Kathleen Krueger setzte sich in der vergangenen Woche vehement für einen Gesetzentwurf ein, den ihr Mann im Senat in Washington eingebracht hatte. Die juristische Lücke müsse geschlossen und die Bundesbehörden in die Lage versetzt werden, gegen „Quälgeister“ zu ermitteln, forderte die Frau des demokratischen Senators Bob Krueger. Das Paar weiß, wovon es spricht. Neun Jahre lang wurde es von einem ehemaligen Mitarbeiter traktiert.

Nach Auslaufen seines Vertrags hatte dieser 1984 begonnen, täglich um das Anwesen der Kruegers zu schleichen und die Familie zu beobachten. Anfangs blieb das Paar gelassen, lud den Mann auch mal zum Essen ein. Als er jedoch nicht aufhörte, sie zu bedrängen und bis zu 120mal am Tag das Büro oder mitten in der Nacht in der Wohnung der Kruegers anrief, riß den beiden der Geduldsfaden. Sie schalteten die Polizei ein, bekamen von den Beamten aber nur zu hören: „Solange er nicht gewalttätig wird, können wir nichts machen.“ Nachdem der Störenfried mit Mord gedroht hatte, wurde er schließlich zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. In fünf Monaten wird er entlassen. „Ich habe Tag und Nacht Angst, allein zu Hause zu bleiben“, erklärte die Politikergattin unter Tränen.

Ähnliche Geschichten werden in den Vereinigten Staaten tausendfach erzählt. Der Vorsitzende des Justizausschusses im US-Senat, Joseph Biden, schätzt die Zahl der „Quälgeister“ in den USA auf 200.000. Über prominente Opfer wird in der amerikanischen Öffentlichkeit viel gesprochen. Es ist jedoch anzunehmen, daß die Störenfriede in der Mehrzahl Durchschnittsbürger belästigen. Bevorzugter Personenkreis sind Frauen, die von Ex-Männern oder früheren Freunden aufs Korn genommen werden. Fünf Prozent der Amerikaner würden im Laufe ihres Lebens zu Opfern von „Quälgeistern“, erklärte Senator Biden.

Nach der Ermordung von fünf Frauen, die zuvor monatelang vom Täter bedrängt worden waren, verschärfte Kalifornien 1990 als erster US-Bundesstaat die Strafgesetze. 31 Bundesstaaten folgten dem Beispiel, in 15 weiteren sind härtere Rechtsbestimmungen gegen Belästigung in der Diskussion. Auf Bundesebene liegt ein Entwurf vor, der zwei Jahre Gefängnis und 5.000 Dollar Geldstrafe für geringere Delikte und bis zu zehn Jahren Haft und 200.000 Dollar Geldbuße für Wiederholungstäter vorsieht. Nach Auffassung von Emilio Viano, Professor für Kriminologie an der American University in Washington, wird mit den neuen Gesetzen das juristische Arsenal des Staates zum Schutz der Frauen vervollständigt. Bislang konnte sich das weibliche Geschlecht nur gegen härtere Delikte wie Vergewaltigung oder sexuelle Angriffe wehren. Daß die Öffentlichkeit Belästigung zunehmend klarer als Problem begreift, ist nicht zuletzt der Frauenbewegung in den Vereinigten Staaten zu verdanken. Jean-Luc Bardet

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