: „In meiner Not fing ich an zu schreiben“
LOB DER RECHERCHE Die Bestseller-Autorin Kari Köster-Lösche lebt in Nordfriesland und schreibt historische Romane mit Bodenhaftung. Dabei hat sie mal Tiermedizin studiert
VON FRANK KEIL
Soweit in die jüngere Zeit hat sich Kari Köster-Lösche bisher noch nicht vorgewagt: ins Jahr 1924. Hier spielt ihr jüngster historischer Krimi „Der Tote am Hindenburgdamm“, der von den politischen Konflikten erzählt, die auf der Insel Sylt ausbrechen, als ein Damm zum Festland erbaut wird: Die einen sind dafür, die anderen dagegen.
„Man könnte meinen, die Menschen auf den Inseln wären damals unpolitisch gewesen. Aber das waren sie nicht“, erzählt sie. Sehr sorgsam hat sie recherchiert, wie seinerzeit die Konfliktlinien verliefen: Manche Insulaner sympathisierten für die Deutsch-Nationalen, andere für die Kommunisten – und dann gab es die, die dieser neuen Partei zugeneigt waren, deren Anführer so brüllte und schrie.
Schon schreibt sie an der Fortsetzung um ihren Kriminalinspektor Niklas Asmus, der von der Stadt aus nach Sylt zwangsversetzt wurde und der sich im zweiten Buch langsam auf der Insel einlebt: „Das Buch hat vielleicht ein spannendes Thema!“, ruft sie begeistert aus, als würde sie es nicht gerade Seite für Seite schreiben, sondern es bereits als fertiges Werk im Sessel sitzend lesen.
Kari Köster-Lösche kann man unumwunden eine Erfolgsautorin nennen, auch wenn sie wohl nie auf die Vorschlagsliste zum Büchner-Preis gelangen wird. Gut 40 Titel kann sie vorweisen – vorzugsweise historische Romane, die gerne ins Hochmittelalter führen: „Das Drachenboot“ oder „Das Deichopfer“ oder „Die letzten Tage von Rungholt“. Dazu kommen Fachbücher wie ein Essay über Seuchen: „Immerhin im Insel Verlag erschienen, das hat nicht jeder“, sagt sie.
Dabei sah es lange nicht danach aus, als würde sie Karriere als Autorin machen. 1946 wird sie als Kari Köster in Lübeck geboren, als Kind einer Reedersfamilie aus Rostock. Sie ist drei Jahre alt, da zieht die Familie nach Schweden. Ihre Mutter hat schwedische Wurzeln; ihr Vater lehrt als Geologe erst an der Universität von Uppsala, dann in Lund in Schonen.
Das akademische Milieu hat sie geprägt: „Meine Eltern haben mich überall mit hingenommen, wo Erwachsene waren und wo ich etwas anfassen konnte: Steine, Versteinerungen, Modelle, Präparate.“ Sie erinnert sich an eine traumhafte Kindheit, einerseits: „Es war tatsächlich wie bei Pippi Langstrumpf, immer spielten wir draußen, fuhren ins Sommerhaus, die langen, hellen Nächte, dazu die Essenstafeln im Garten.“
Andererseits sind da die Jungs, die sie, die Deutsche ärgern, schubsen, durch die Straßen jagen: „Das kam, das muss man leider sagen, meist von den Eltern aus der linken Ecke.“ Dabei ist ihre Muttersprache damals Schwedisch. Als nach der vierten Klasse entschieden wird, wer aufs Gymnasium kommt, ist sie nicht dabei: „Man hat wohl seitens der Lehrer meine Noten gedrückt“, vermutet sie.
Ihren Eltern bot man nicht den schwedischen Pass an, wie es nach einem so langem Aufenthalt üblich war. Und so ging die Familie zurück nach Deutschland, nach Frankfurt. Für das Gymnasium musste sie nicht mal eine Aufnahmeprüfung machen. „Ich musste für die Lehrer nur regelmäßig meinen Namen auf Schwedisch sagen und sagte dann ganz ernst ‚Kaari Köschter‘ und die waren begeistert.“
Nach der Schule studiert Kari Köster Tiermedizin und geht in die Forschung. „Mir war schnell klar, dass mir das mehr liegt als Ferkel zu kastrieren. Und die Schnacks von den Bauern muss man auch nicht ein Leben lang hören.“ Sie promoviert über Pseudomonas Aeruginosa – Bakterien, die die Lunge befallen können. „Ich habe ein sehr verwandtschaftliches Verhältnis zu Bakterien; das sind mit die liebsten Tiere.“ Danach forscht sie zu Knochenersatzmaterialien.
Der erste Roman
Der Bruch kommt 1985, als sie mit ihrem Mann ins nördlichste Nordfriesland geht. Sie erwartet ihr erstes Kind. „Da stellt einen sowieso niemand ein.“ Was tun? Doch noch als Tierärztin arbeiten? Die gibt es dort haufenweise, da hat man nicht auf sie gewartet. „In meiner Not fing ich an zu schreiben“, sagt sie. Und zwar ein Buch über den Typus des nordfriesischen Bauernhauses, in dem sie mit ihrem Mann bis heute lebt und das sie damals begannen, in seinen ursprünglichen Zustand zurückzubauen.
Solide Recherche ist dafür notwendig, bauliche Details müssen erkundet werden. „Als das Buch fertig war, habe ich mir gedacht: Es wäre doch ganz hübsch, wenn ich da jetzt Personal reinsetze.“ Und so schreibt sie ihren ersten Roman: „Die Pesthexe von Tondern“. „Dabei geht es weniger um Hexen, sondern um die Ratten, wie sie die Pest übertrugen, also um Medizingeschichte.“ Und es geht um die dänische Stadt Tondern, um Architektur und die nicht einfache deutsch-dänische Lokalgeschichte.
Diesem Prinzip ist sie treu geblieben: Erst recherchieren, sich fachlich auf bestem Stand bringen, dann schreiben, ausschmücken. „Ich verabscheue Autoren, wenn ich bei ihnen entdecke, dass sie nicht wussten, worüber sie geschrieben haben. Ich schreibe nur über das, worüber ich mich auskenne.“
Und so hat sie es in den letzten knapp dreißig Jahren gehalten – ist in die Türkei gereist, nach Sizilien, nach Portugal, um die Orte genauestens zu erkunden, die Schauplatz ihrer Romane werden sollten. Zuweilen waren ihre Familienurlaube Recherchereisen, in die alle eingespannt wurden.
Zweitwohnsitz Hallig
Genaue Ortskenntnisse zeigen auch ihre vier Romane um den Wasserbauinspektor Sönke Hansen, die auf der Hallig Langeness im Jahr 1894 verortet sind: Auf Langeness hat sie eine Art Zweitwohnsitz, ist hier vorzugsweise im Herbst und Winter anzutreffen. „Erst nachdem mein Mann und ich dort lange lebten und fast so etwas wie Einheimische wurden, hab ich mich getraut über die Hallig zu schreiben.“
Kari Köster-Lösche ist streitbar. Ende der 90er profilierte sie sich als eine der entschiedensten Kritiker am Umgang der Behörden mit der Rinderseuche BSE. Ihr Rat, unbedingt auf Rindfleisch zu verzichten, bescherte ihr gerade im Agrarland Schleswig-Holstein viele Anfeindungen, bis hinein ins Private: „Meine Tochter musste sich in der Schule anhören: ‚Deine Mutter ist doch die, die uns die Milchpreise verdirbt.‘ Sie ist gemobbt worden, bis wir sie nach Flensburg in die Stadt umschulten.“
Diese Kämpfe sind nun mit zeitlichem Abstand in ihren Syltkrimi eingeflossen, getreu ihrem Motto: „Man kann nicht in der Mitte sitzen und aus dem, was drumherum geschieht gleich einen Roman schreiben. Da braucht man Abstand, da braucht man Zeit.“ Auch ihr zwangsweise auf Sylt gelandeter Kriminalinspektor Niklas Asmus ist einer, der sich mit der Obrigkeit anlegt und der lernen muss, genau zu schauen, auf wen seiner Kollegen er sich verlassen kann und wem er mit Recht misstrauen sollte.
Kari Köster-Lösche nimmt das Buch in die Hand und sagt: „Aber das macht nichts; das sollen meine Hauptpersonen ruhig durchstehen.“
Kari Köster-Lösche: „Der Tote am Hindenburgdamm – ein Sylt-Krimi“, Rütten&Loening, Berlin 2013, 272 S., 14,99 Euro