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■ In der SPD wird nun die Öffnung hin zur PDS diskutiertKein Generalpardon

Mit einem „Riesenkrach“ hatte Scharping seinen ostdeutschen Parteifreunden gedroht, sollten sie die Zusammenarbeit mit der PDS suchen. Die PDS, so die bindende Begründung der „Dresdener Erklärung“, sei die veraltete und überalterte Partei der ehemaligen Staatsfunktionäre, die keinen sauberen Trennungsstrich zu ihrer SED-Vergangenheit gezogen habe. Und nun soll plötzlich statt dieses Trennungsstrichs ein Schlußstrich gezogen werden. Der gleiche SPD-Vorsitzende, der noch vor wenigen Wochen in Richtung SED-Nachfolgepartei gedroht hatte: „Wir vergessen nichts“, mahnt nun eine „gewisse Großzügigkeit“ an, die sich aus dem Respekt vor den ganz unterschiedlichen Lebenswegen in der früheren DDR speise.

Nun ist damit noch nicht die selbstgezogene Grenze der Zusammenarbeit überschritten, aber diese wird sukzessive ihre Grundlage verlieren. Werden die DDR-Verhältnisse nicht mehr unter Einbeziehung der Gauck-Unterlagen analysiert, wird die Frage nach Unrecht und Schuld des individuellen Anteils beraubt. Die Antworten finden sich dann in solch systemtheoretischen Betrachtungen, wie sie mit Vorliebe in der PDS angestellt werden. In diesem Lichte wirft weder ein Stolpe noch ein Gysi einen konturierten Schatten. Doch bislang sieht keiner einen Anlaß, Krach zu schlagen.

Scharping reagiert auf ein Dilemma, in das er sich selbst manövriert hat, indem er die PDS tabuisierte, ohne daraus ein strategisches Konzept entwickeln zu können, das auf deren Stärke angemessen antwortet. Was bundespolitisch einen wenn auch ideologiegetränkten Sinn machte, führt zur Selbstblockade, wenn es, wie in Mecklenburg-Vorpommern, in ostdeutsche Tagespolitik umgesetzt werden soll. Ringstorff, aber auch Stolpe und Höppner haben mit ihren demonstrativen Dialogangeboten an die PDS Scharping diese Beschränkung deutlich gemacht. Thierse, Schorlemmer, Hildebrandt weisen mit ihrer Forderung nach Öffnung der SPD hin zur PDS den einzigen konstruktiven Weg aus dem Dilemma unterhalb der Schwelle der organisatorischen Zusammenarbeit.

Die Schritte auf diesem Weg kann die Ost-SPD, will sie sich vor einer Zerreißprobe bewahren, jedoch nur gehen, wenn auch die Auseinandersetzung über die gemeinsame Geschichte geführt wird. Das bedingt auch die Kenntnis der Stasi-Unterlagen. Einen Schlußstrich zu ziehen, einen Generalpardon auszusprechen, bevor über Schuld befunden ist, zeugt von einem parteitaktischen Verständnis, das Vergangenheitsaufarbeitung lediglich als politische Abrechnung begreift. Der Pardon, so macht es mittlerweile auch die PDS vor, wird, wenn überhaupt, dann einzeln gegeben – und wer wäre dazu besser in der Lage als die Partei der Pastoren. Dieter Rulff

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