■ In den USA hat nicht nur der Seelenklempner Räder: Die rollende Psychiater-Couch
New York (taz) – Psycho-Streß, aber zu beschäftigt, um zum Arzt zu gehen? In New York, der Stadt mit den meisten Workaholics und Verrückten auf einem Fleck, ist das kein Problem mehr, seit Dr. Ursula Strauss und Dr. Shelley Lennox ihre mobile Therapeutenpraxis eröffnet haben. Die beiden geschäftstüchtigen Psychologinnen bieten Business-Managern und Wall-Street-Brokern mit übervollen Terminkalendern ihre therapeutischen Dienste auf dem Weg zur Arbeit an.
Auf Wunsch holen die rollenden Psychoschwestern ihre Patienten mit einem komfortablen Kleinbus an der Haustür ihrer Vorstadthäuser in Long Island, Garden City oder White Plains ab und offerieren professionelle Seelenmassage, während der Chauffeur die rollende Praxis sicher zum Büro in Manhattan steuert.
Kosten für eine Sitzung: 175 Dollar, Benzingeld inklusive. Seit der Eröffnung im letzten Jahr betreut der Mobile Psychologische Service mit sechs Therapeuten, drei Fahrern und vier Vans – alle ausgestattet mit Couch, Kaffeetisch und zwei bequemen Sesseln – über 50 Patienten. Tendenz: steigend. Denn die mobile Psychiater- Couch ist nicht nur für gestreßte Börsenmakler, hektische Banker oder durchgedrehte Rechtsanwälte reserviert. Dr. Lennox hält auch Gruppentherapien für problembeladene Ehepaare oder Familien in ihrer fahrenden Praxis für möglich.
Die Gefahr, daß der Chauffeur die intimen Bekenntnisse der Patienten belauschen könnte, ist gebannt. Das rollende Behandlungszimmer wurde vorsorglich schallisoliert. Für Patienten mit schweren emotionalen Krisen bevorzugen die Seelenärzte aber immer noch die stabile Umgebung einer konventionellen Praxis. Beide Psychologinnen empfangen darum die meisten ihrer Patienten nach wie vor in ihren festen Büros in der Bronx und in Westchester. „Der Van ist gut für die psychotherapeutische Routine, und um Leuten mit Suchtproblemen oder Phobien zu helfen“, sagt Dr. Strauss. „Wir hatten allerdings noch keine Patienten mit Klaustrophobie. Die würden wir wohl nur schwer in den Van kriegen.“
Der New Yorker Therapy-on- Wheels-Service ist nicht die einzige ungewöhnliche Dienstleistung, die den US-Amerikanern per Auto angeboten wird. Im Land der Drive-in-Kinos, Drive-in-Restaurants und Drive-in-Weddings treibt der Wettbewerb zum Teil kuriose Blüten. So kommt in der Umgebung von Chicago das Fitness Center in einem riesigen Lkw zu seinen Kunden. Ausgestattet mit Tretmühlen, StairMasters, Gewichten und einem Farbfernseher bietet es für Fitness-Chunkies schweißtreibendes Bodybuilding auf Rädern. In Cambridge, Massachusetts, wiederum fährt auf Anruf der Hundefriseur mit seinem rollenden Waschsalon vor's Haus, um die stinkenden Lieblinge zu baden und zu fönen, ohne daß Frauchens Wohnung naß wird. Und in Culpeper, Virginia, bietet ein Bestattungsunternehmen einen mobilen Begräbnisdienst an. „Affordable Funeral Services“ holt auf Wunsch den Leichnam zu Hause ab, balsamiert, kleidet und sargt ihn auf dem Weg zum Friedhof ein – alles in einem geräumigen Van. Kosten: rund 2.500 Dollar, halb soviel wie herkömmliche Unternehmen berechnen.
Während die rollenden Geschäfte in anderen Branchen boomen, denken auch Dr. Strauss und Dr. Lennox, die beiden findigen Therapeuten aus New York, schon über eine Ausweitung ihres Mobilen Psychologischen Services nach. So hat ein mutiger Investor aus der Gesundheitsbranche unlängst angeregt, eine Filiale in Boston zu eröffnen. Möglicher Name der Psycho-Kette: McTherapy. Ute Thon
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