: In Temeswar beginnen die Prozesse
■ 21 Angehörige des Geheimdienstes Securitate vor Gericht / Ceausescu-Bruder angeklagt
Berlin (dpa/taz) - Insgesamt 21 Angehörige des ehemaligen Geheimdienstes Securitate müssen sich seit Freitag vor einem Gericht in Temeswar verantworten. Es handelt sich dabei um Personen, die an dem Blutbad unter Demonstranten während des Volksaufstandes ab 16.Dezember in der Banater Stadt teilgenommen haben sollen. Die Angeklagten, hohe Offiziere, werden außerdem beschuldigt, auch nach dem Tod des Diktators am 25. Dezember die Straßenkämpfe noch fortgesetzt zu haben. Der Prozeß wird über zwei Monate dauern.
Das Tribunal soll darüber hinaus Aufklärung über die wirkliche Anzahl der Opfer in der Stadt bringen. Die Anklage geht dabei von mindestens 100 Toten und 300 verletzten Demonstranten im Zeitraum bis zum 30. Dezember aus, während Teilnehmer der Demonstrationen nach wie vor von mehreren tausend Toten sprechen. Hunderte von Toten seien nach diesen Angaben in andere Landesteile gebracht und dort entweder verbrannt oder in Massengräbern bestattet worden.
In Bukarest wird in Kürze der Bruder des gestürzten Diktators Nicolae Ceausescu vor Gericht gestellt werden. Die Anklage wirft Nicolae Andruta Ceausescu vor, am Vorabend des Sturzes seines Bruders in Bukarest eigenhändig sieben junge Demonstranten erschossen zu haben, nachdem sich die Einheit von 1000 Securitate-Leuten, die er befehligte, geweigert hatte, auf die Demonstranten zu schießen. Zeugen bestätigten, daß der Bruder des Diktators umhergerannt sei und seinen Leuten Befehle zum Schießen zugebrüllt habe. Doch die Untergebenen blieben standhaft, obwohl Ceausescu drohte, alle Befehlsverweigerer hinrichten zu lassen.
Der Vorsitzende des Militärtribunals, das Nicolae Ceausescu und seine Frau Elena am 25. Dezember zum Tode verurteilt hatte, soll nach Aussagen der rumänischen Regierung Selbstmord begangen haben. Generalleutnant Popa habe seinem Leben am Donnerstag ein Ende gesetzt, nachdem er seit Wochen Todesdrohungen von Ceausescu-Anhängern erhalten hatte, sagte ein Sprecher des Justizministeriums. Obwohl die Zusammensetzung des Tribunals streng geheimgehalten werden sollte, ist der Name des Richters doch nach außen gedrungen. Während des Tribunals wurden die Richter zwar nicht gezeigt, doch war Popas Stimme bei der Fernsehübertragung zu hören gewesen.
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