In Köpenick bleibt der Dieb im Stau stecken

■ Serie: Berlin vor den Kommunalwahlen (Teil 14)/ Köpenick erstickt im Verkehrschaos/ Abwahl eines CDU-Stadtrates droht den Wahlkampf zu verschärfen/ PDS kritisiert Weiterbeschäftigung von Stasi-Mitarbeitern/ Bürger kämpfen um ihr Schloß

Köpenicks Politiker leben gefährlich: Nicht nur, daß am 16. Oktober 1906 der Bürgermeister Doktor Langerhans mit seinem Kassenrendant vom Schuhmacher Wilhelm Voigt verhaftet wurde. Heute ist der Weg zum Rathaus über die romantische Holperstraße in der Altstadt nur an einer entfernten Ampel oder in rekordverdächtigen Zeiten zu schaffen. Aber auch dann birgt die Überquerung ein erhöhtes Risiko, denn Alt-Köpenick ist längst zur Durchgangsstraße verkommen.

Laster donnern entlang den denkmalgeschützten Häuschen, in der Bahnhofstraße jenseits der Spree staut sich währenddessen der Verkehr. Mittendrin bimmelt und quietscht die Tram, die seit der Grenzöffnung ebenfalls hoffnungslos im Gewühl steckenbleibt. Würde einmal wieder ein selbsternannter Hauptmann von Köpenick die Stadtkasse rauben — in der nördlichen Damm-Vorstadt würde er unweigerlich gestellt. Der alte Kern des größten Berliner Bezirkes ersäuft geradezu im Verkehr.

Die sozialdemokratische Bürgermeisterin Monika Höppner hält langfristig nur eine Lösung für denkbar: »Die Autos müssen raus.« Bei der Bevölkerung ist dieser Gedanke keineswegs unpopulär, denn die Köpenicker lieben ihre Straßenbahn, auch wenn sie wegen des höllischen Lärms kräftig verflucht wird.

Eine Brücke soll spätestens 1998 die Rettung bringen, so Fritz Monke, der Leiter des Hochbauamtes. Vierspurig soll die zweite Verbindung über die Spree führen und in Anbindung an die geplante Nord-Süd-Tangente den Verkehr um die Stadt herumleiten.

Entlastet wären neben den Altstadtstraßen auch die kleinen, viel zu engen Brücken, über die sich die Blech-Schlangen täglich quälen. Die Schwingungen sind zu groß, sie strahlen auf die Nachbarschaft ab; zahlreiche Risse und Beschädigungen der angrenzenden Häuser zeugen vom Straßenverkehr.

Doch für die Bewohner der ältesten Häuser zeigt sich neben der geplanten Brücke ein zweiter Hoffnungsschimmer: 30 Millionen Mark stellen der Bund und der Berliner Senat für die Sanierung und den Erhalt denkmalgeschützter Häuser zur Verfügung. Sie stammen zum Teil noch aus dem 18. Jahrhundert.

Allerdings verlaufen die Arbeiten aus der Sicht von Denkmalpflegern nicht gerade optimal, wie Baustadtrat Bernd Hellinger (SPD) eingesteht: »Aufgrund der Stellenkürzungen können wir uns keine untere Denkmalschutzbehörde erlauben.« Das Ergebnis sind Kunststoff-Fenster in alten Fassaden, die besser in Schilda als in Köpenick paßten.

Dort vermuten die Köpenicker inzwischen die Heimatstadt des Berliner Kultursenators Ulrich Roloff- Momin, der das Schloß wegen baulicher Mängel schließen möchte. Hintergrund ist der Wunsch der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das dortige Kunstgewerbemuseum auszulagern. Der Alt-Köpenicker Bürgerverein hat bereits im März der Bürgermeisterin eine umfangreiche Unterschriftensammlung übergeben, um mittels eines Bürgerbegehrens die Schließung zu verhindern. Auch die Berliner Architektenkammer hat die Schließung als unnötig bezeichnet, da eine abschnittweise Sanierung möglich sei.

Viel Dreck wirbelt zur Zeit der Christdemokrat Peter Zdunnek auf: zum einen läßt der Stadtrat für Umwelt und Gesundheit gerade den Müggelsee entschlammen, zum anderen ist seine Personalpolitik umstritten. Die PDS, zweitstärkste Fraktion aber ohne Regierungsverantwortung, beantragte die Abberufung Zdunneks, weil dieser ehemalige Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit im Gesundheitszentrum weiterbeschäftigt habe. Anfangs schien dem Antrag die Erfolglosigkeit sicher, doch gestern stand er an zwölfter Stelle auf der Tagesordnung der BVV und aus SPD-Kreisen wurde die Zustimmung als »durchaus denkbar« bezeichnet.

»Dann platzt die große Koalition«, drohte der CDU-Kreisvorsitzende Winfried Cichy. Schließlich ist der umstrittene Stadtrat nicht irgendwer, sondern ausgerechnet der Spitzenkandidat der Christdemokraten für das Amt des Bürgermeisters. Die Abwahl würde den Wahlkampf enorm verschärfen, vermuten viele. Noch ähneln sich die Wahlprogramme von SPD, CDU und FDP, doch ein Bruch könnte dazu führen, daß sich zumindest die beiden bisherigen Koalitionspartnerinnen fortan stärker von der Mitte entfernten.

Den Sozialdemokraten trauen zwar viele ein noch besseres Ergebnis zu, aber an eine absolute Mehrheit mag niemand glauben. Für den SPD-Spitzenkandidaten, den Wirtschaftsstadtrat Klaus Ulbricht, wäre die PDS als Koalitionspartnerin aber kaum eine Alternative zur großen Koalition. Noch stärker als Bürgermeisterin Monika Höppner setzt er auf die Ansiedlung von Gewerbe.

Mit Oberschöneweide gehört zwar ein großes Industriegebiet zu Köpenick, aber wie überall gingen in den letzten beiden Jahren auch hier Tausende Arbeitsplätze verloren. Neben der Produktion setzt Köpenick auch auf den Tourismus, denn zu dem Bezirk gehören der Müggelsee und die Müggelberge. Und notfalls muß wieder der Hauptmann herhalten, vielleicht mit Heinz Rühmann als Köpenick-Botschafter? Christian Arns

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