: In 500 Tagen zur Marktwirtschaft
■ Michail Gorbatschow und Boris Jelzin gründen gemeinsame Expertenkommission
Moskau (afp/ap) - Der sowjetische Staatspräsident Michail Gorbatschow und der Präsident des russischen Parlaments, Boris Jelzin, haben beschlossen, eine gemeinsame Expertenkommission zu gründen, die den Übergang zur Marktwirtschaft vorbereiten soll. Das berichtete gestern die sowjetische Nachrichtenagentur Interfax. Die neue Kommission, in der die einzelnen Republiken stark vertreten sein werden, soll bereits bis zur Sitzung der Obersten Sowjets der Sowjetunion und der Russischen Föderation im September ihre Vorschläge ausgearbeitet haben. Sie soll direkt Gorbatschow und Jelzin unterstellt werden.
Die Experten sollen auf der Basis des „500-Tage-Planes“ arbeiten, den Jelzin vor zwei Wochen vorgestellt hat. Er enthält Vorschläge für radikale Wirtschaftsreformen, die in vier Etappen innerhalb von acht Monaten umgesetzt werden sollen. Vor allem sollen die Preise freigegeben und unrentable Betriebe nicht mehr subventioniert werden. Außerdem soll nach dem Projekt jeder Staatsbürger Land erwerben können. Die staatlichen Betriebe sollen in Aktiengesellschaften umgewandelt werden, um ausländische Investitionen zu erleichtern. Dem von Gorbatschow und Jelzin vereinbarten zwölfköpfigen Wirtschaftsausschuß gehören der Stellvertretende Ministerpräsident Leonid Abalkin, das Mitglied des Präsidialrates Stanislaw Schatalin, der Wirtschaftsberater von Gorbatschow, Nikolai Petrakow, sowie Boris Fedorow, der Finanzminister Rußlands und Autor des „500-Tage-Planes“, an.
Wie es dazu am Mittwoch in Moskau hieß, deutet die Vereinbarung darauf hin, daß die beiden Politiker ihre Differenzen in Wirtschaftsfragen beilegen wollen und Gorbatschow zu radikaleren Reformen bereit ist, wie sie von Jelzin gefordert werden.
„Dies ist die wichtigste Nachricht des Jahres 1990“ in der sowjetischen Innenpolitik, kommentierte Gortbatschows Wirtschaftsberater Nikolai Petrakow. Er erklärte, das Komitee, welches das gemeinsame Wirtschaftsprogramm ausarbeiten solle, habe noch keinen Vorsitzenden und es sei noch zu früh, darüber zu berichten, welchen Kurs es verfolgen wolle. Petrakow sagte jedoch, das Komitee werde „weitgehend“ auf das Programm und die Erfahrungen mit der wirtschaftlichen Umwandlung in der Russischen Sowjetrepublik zurückgreifen.
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