■ Immer wieder Essig für die Deutschen: Rettet die Nato!
„Rettet Saddam Hussein die Nato?“ fragte einst der Züricher Tages-Anzeiger besorgt. Zu schnell war der neue große „Weltfeind“ als Moskau-Nachfolger verbraucht. Dann boten sich die Serben an. Indessen, auch sie taugten nicht recht als erlösendes Nato- Feindbild, weil sie peinlicherweise mehrfach einlenkten, als es mit Bomben und Raketen so richtig losgehen sollte. Vielleicht hätte man sie zum Schießen auf die Blauhelme verleiten können, wenn man diese aus Bosnien zurückzog. Vorsorglich hatten sich die Deutschen ja schon vom Nato-Rat zur Bereitstellung von Tornados bitten lassen. Aber wieder Essig. Niemand wollte im Ernst die Blauhelme dort weghaben. Wenigstens mit der offiziellen deutschen Annahme der Selbsteinladung wäre der Nato in ihrer Krise schon ein bißchen geholfen gewesen – so deutete es wenigstens Hans-Ulrich Klose im Spiegel an.
Nun endlich ein Lichtblick: Kroatiens Tudjman springt in die Bresche und will demnächst seine Blauhelme verjagen, die ihn am Bekriegen der störrischen Krajina-Serben hindern. Da dürfte dann wohl endlich die Nato mit ran, und die Deutschen könnten die Tornado-Raketen wieder aus den Bunkern holen. Nach fünfzig Jahren hätte es mit der deutschen Drückebergerei ein Ende, mit dem ewigen Beiseitestehen, mit dem unverantwortlichen Im-Stich-Lassen, Im-Regen- stehen-Lassen, mit dem blamablen Tatenlos-Zusehen, der Verweigerung von Solidarität und Hilfe – für die Nato. Denn um deren Überleben geht es doch offenbar zuallererst. Gar nicht auszudenken, wie sie ihre weitere Arbeitslosigkeit aushalten sollte, würde es Butros Ghali doch noch gelingen, den kriegslüsternen Tudjman wieder zur Räson bringen.
Die Nato braucht den Kampf und unsere deutschen Kämpfer – und Bonn die Nato, damit diese wieder sagt, daß wir etwas tun sollen, was unsere Wegbereiter der Großen Koalition längst wollen. Und die Bevölkerung, die laut Polit-Barometer mit deutschen Balkan-Kampfeinsätzen mehrheitlich nichts im Sinn hat? Die wird genauso lammfromm stillhalten wie Anfang der sechziger Jahre, als die SPD wie heute der Union hinterherlief, um sich mit der Zustimmung zur bundesdeutschen Atombewaffnung vorsorglich das Ticket für den Eintritt in die gemeinsame Regierung zu sichern. Horst-Eberhard Richter
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