: Immer nur von Semester zu Semester
Studentische Beschäftigte sind unentbehrlich für den Betrieb von Hochschulen und Universitäten, aber ihre Arbeitsbedingungen sind prekär. Ein Tarifvertrag könnte das ändern

Von Louisa Eck
Der Hamburger Senat will sich für einen bundesweit geltenden Tarifvertrag für studentische Beschäftigte einsetzen. So steht es jedenfalls im rot-grünen Koalitionsvertrag. „Studentische Beschäftigte“ umfasst studentische und wissenschaftliche Hilfskräfte sowie Tutor*innen an Hochschulen – in Hamburg knapp 4.600 Menschen. Einen Tarifvertrag haben sie alle nicht.
Ihre Arbeitsbedingungen sind oft problematisch: Kurze Vertragslaufzeiten, schlechte Bezahlung und kurzfristige Stundenkürzungen gehören zum Alltag vieler studentischer Beschäftigter. Das hat die Studie „Jung, akademisch, prekär“ schon im Jahr 2023 gezeigt. Ein Tarifvertrag würde die Arbeitsbedingungen für studentische Beschäftigte verbessern, so die Sprecherin von TV Stud Hamburg. Die Gruppe ist ein regionaler Zweig der bundesweit organisierten gewerkschaftlichen TV-Stud-Kampagne, die seit 2019 für einen studentischen Tarifvertrag kämpft.
Die Gruppe hat in der Tarifrunde 2023 einen großen Erfolg erzielt: eine bundesweit geltende schuldrechtliche Vereinbarung. „Eine Art Vorstufe des Tarifvertrags“, so die Sprecherin von TV Stud Hamburg. Die Vereinbarung beinhaltet unter anderem Entgelte und Mindestvertragslaufzeiten von zwölf Monaten. „Aber sie ist nicht individuell einklagbar, sondern nur kollektiv, und mach das erst mal.“
Oft erhalten studentische Beschäftigte trotzdem nur kurz laufende Verträge. Das liege auch an der Verteilung des Budgets der Fakultäten, so die Sprecherin von TV Stud Hamburg. „Viele Studis werden nicht aus Personalgeldern, sondern aus Sachmitteln bezahlt.“ Diese werden jährlich neu vergeben, sodass die Hochschule kurze Vertragslaufzeiten mit mangelnder Planbarkeit begründe. „Maximale Flexibilität für die Arbeitgeber, aber die studentischen Beschäftigten leiden drunter“, kritisiert die Sprecherin.
Was diese Unklarheiten im Einzelfall für die Studierenden bedeuten, zeigt sich bei Frederik*. Er ist seit zwei Jahren studentische Hilfskraft an der Universität Hamburg. Im vergangenen Herbst wurden seine Stunden ohne Vorwarnung stark gekürzt – von 40 Monatsstunden auf zehn. „Auf einmal sind meine Arbeitsstunden reduziert worden“, sagt Frederik, „und dann kann ich mir auch schon ausmalen, wie lange ich auf der Stelle bleibe. Oder muss mir zumindest Sorgen machen.“ Seine kurzen Vertragslaufzeiten verstärken diese Sorgen: „Ich habe immer nur Sechs-Monats-Verträge bekommen. Das ging immer nur von Semester zu Semester zu Semester.“ So besteht alle sechs Monate das Risiko, dass Frederik ohne Job dasteht.
Auch nachdem die schuldrechtliche Vereinbarung bindend für die Universität wurde, haben sich die Vertragslaufzeiten nicht geändert. Aus finanziellen Gründen, hieß es zuerst. „Später wurde mir aber mitgeteilt, dass Anschlussverträge allgemein ausgeschlossen seien von den zwölf Monaten und nur ganz neue Verträge die zwölf Monate bekommen, ich davon also grundsätzlich ausgeschlossen sei“, so Frederik.
Die Universität Hamburg teilt zu diesem Fall mit: „Grundsätzlich soll jede Erstbeschäftigung, die nach dem 01.04.2024 begründet wurde, über mindestens 12 Monate erfolgen. Weiterbeschäftigungen unterliegen dieser Mindestvertragslaufzeit nicht zwangsläufig.“
Auch die Tutor*innen haben mit kurzen Vertragslaufzeiten zu kämpfen. Unter ihnen Nadine*, die sich auch bei TV Stud Hamburg engagiert und gerade ihr drittes Tutorium gibt. Ihre Verträge laufen immer nur für die vier Monate Vorlesungszeit. In den Semesterferien hat sie also keinen laufenden Arbeitsvertrag als Tutorin und wäre arbeitslos, wenn sie nicht noch einen anderen Job hätte. „Ich habe nicht so große Probleme mit den Bedingungen, weil das nicht mein einziges Einkommen ist. Aber ich kenne Leute, für die ein Tutorium nicht in Frage kommt wegen der Bedingungen. Man muss es sich halt leisten können“, erklärt Nadine.
Bei ihrem ersten Tutorium hat Nadine auch in den Ferien gearbeitet – etwa das nächste Tutorium vorbereitet und Mails von Studierenden beantwortet. Mittlerweile legt sie viel Wert darauf, nicht außerhalb ihrer Vertragszeiten zu arbeiten: „Sonst unterstütze ich ja auch, dass es sich nicht ändert, dass es nicht vergütet wird. Und vielleicht muss man dann auch akzeptieren, dass man die Betreuung in den Ferien nicht anbieten kann.“
Nadine*, Tutorin an der Uni Hamburg
Die Universität Hamburg (UHH) begründet die kurzen Vertragslaufzeiten damit, dass in den Ferien keine Tutorien stattfinden: „Die UHH geht davon aus, dass die Vor- und Nachbereitung von Tutorien innerhalb der vereinbarten Arbeitszeit erfolgt und dementsprechend in der Vergütung mit abgedeckt ist.“
Ende 2025 finden die nächsten Tarifverhandlungen statt. Die Gruppe TV Stud Hamburg erhofft sich dann einen studentischen Tarifvertrag und steckt bereits in den Vorbereitungen: „Die letzten Tarifverhandlungen und auch die Verbesserungen, die dort erreicht wurden, waren ein krasser Erfolg“, sagt Nadine. „Und das zeigt, dass es sich lohnt zu kämpfen.“
* Namen geändert
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