■ Imbiß-Spezialität erobert Deutschland: Die „Pusztetten“: Pommes-Promi Peter Pomm
Duisburg (taz) – Vielleicht führt die Weseler Straße von Marxloh aus tatsächlich nach Wesel. Ganz sicher führt sie auch in die Vergangenheit. Rechts und links der Straßenbahngleise wittern schäbige Bauten ihrer Sanierung entgegen. Hineingeduckt in ein Häuschen findet sich eine Imbißbude, von vorne bis hinten ist sie mit blaßblauen Kacheln bepflastert. Reglos, aber frisch liegen Mettwürste, paniertes Bauchfleisch, Schnitzel und Frikadellen in der Auslage. Ein riesiger blau-weißer Wecker, so breit wie drei Currywürste lang sind, steht still.
Hier ist der Ursprungssitz derer von „Peter Pomm“: Seit 1958 betreibt die aus der Frittenheimat Niederlande stammende Familie Tauber dieses und zwei weitere Geschäfte im Kiez. „Mein Schwiegervatter wollte schon zwei Jahre vorher anfangen. Aber die vom Ordnungsamt haben nur dumm gefragt: Sie wollen Kartoffeln anne Straße verkaufen?“, erinnert sich Clanchef Tauber heute, „damals wußten die Beamten noch nicht Bescheid.“ Nach zwei Jahren intensiven Nachdenkens gab die kommunale Obrigkeit schließlich ihr Plazet und versah Taubers Schwiegervatter Peter Johann Hildebrand, den Ahn des Clans, „aufgrund des §18 der Polizeiverordnung der Stadt Duisburg“ mit der Erlaubnis „zur Errichtung eines Verkaufsstandes zum Verkauf von Imbißwaren“. Verbindliche hoheitliche Anordnungen gab der Oberstadtdirektor zur Gefahrenabwehr den Pommes-Pionieren mit auf den Weg. Die Budenbetreiber wurden ausdrücklich aufgefordert, „den Anordnungen der Polizeibeamten Folge zu leisten und überlautes Anpreisen der Ware zu vermeiden“. Schon ein Jahr später ereilte den in der Stahlstadt noch konkurrenzlosen Imbißstand ein Schicksalsschlag – die Katoffelkrise von 1959. Ein Hungerwinter für Pommesfans zwang den Erstlingsimbiß zur Rationierung. „In dem Jahr war die Ernte so schlecht, dat uns keiner Fritten liefern konnte“, erinnert sich Tauber, „aber wir haben die Pommes dann selbst gestanzt, und jeder Kunde hat nur eine Tüte gekriegt“. Gleichwohl fand die Stäbchennahrung reißend Absatz. Im harten Nachkriegsalltag gierten Hochwohlgeborene, wie Helmut Horten, und Dreikäsehochs von um die Ecke nach den Kalorienbomben des „Onkel Pomm“.
Und der sann über Qualitätsverbesserungen und über so etwas wie ein corporative image nach. Und sogleich erfand er das Produkt der „Pusztetten“; „den Namen hat meine Frau Irmgard aus dem Hut gezogen“. Die geheimnisvoll benannten Dinge werden weltexklusiv nur in den drei „Peter Pomms Pusztettenstuben“ zu Duisburg verkauft. „Pusztetten“ – das sind „kleine Fleischbällchen aus Schweine- und Rindfleisch in pikanter Tomatensoße“, per Warenzeichen des deutschen Patentamtes ist das runde Fleischgericht geschützt. Als ihr Geheimnis gilt die Rezeptur, das Rezept hütet der Clanchef in seinem Kopf. Im Norden Duisburgs kennt die Hackfleisch-Bällchen, die keine schnöden Pußtaballen sind, ein jeder. „Ich bin hier seit 35 Jahren Kunde“, bekennt Gerado D'Avino, der in der „Pusztetten-Stube“ am August-Bebel-Platz hingebungsvoll eine Portion der fleischgewordenen Revierfolklore zu sich nimmt. Mit Brot für 2 Mark 80. Zur Mittagszeit ist der kleine Stehimbiß immer brechend voll. Es gibt die kleinen Klopse auch in Dosen, für 5 Mark 80. „Wir haben dafür Kunden von Hamburg bis zum Bodensee“, sagt „Pusztetten-Peter“ Tauber. Zumeist seien es Exilduisburger. Schöpfungsort der Bällchen ist die Wurstküche im Hinterhof der Wohnung, wo der gelernte Schlosser Tauber mit einem 83jährigen Metzgermeister im Ruhestand seine Kügelchen rollen läßt. „Mit 30 Dosen wöchentlich hab' ich angefangen, weil unsere Stammkunden die Pusztetten auf dem Campingplatz essen wollten“. Unverzagt dost Tauber seit mehr als 30 Jahren seine patentierten Bällchen ein, ohne „Fremdstoffe und so'n Gedöns“ und „vier, fünf Portionen jede Woche“ ißt auch er. Denn sein Credo lautet schon jahrzehntelang: „Bei Peter Pomm schmeckt's immer.“ Thomas Meiser
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