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■ Im tiefen Tal der Quotenkiller: Die neuen Vorabendserien von ARD und ZDFDas hat Folgen

Nach all den Reality-TV- Scheußlichkeiten mit Szenen aus Sozialamt, Schlachthof und OP sehnt sich der arbeitende Mensch nach gepflegter Feierabendunterhaltung. Keine Pubertätsmelodramen mit minderbegabten Laiendarstellern, sondern zeitnahe Stoffe mit hohem Wiedererkennungswert und einer kräftigen Prise Sozialkritik. Humorvoll, doch nicht zu seicht, lebensnah, aber auch gefühlsecht, kurz: Serien, wie sie das Leben schreibt. Hier eine kleine Vorschau auf den Nachschub für die Serienfront:

Alles Glück beim Zappen liegt auf dem Rücken der Rappen. Das wissen die Quotenjockeys der ARD ganz genau. Mit ihrer neuen Serie „Qualen der Rennbahn“ wollen sie die Zuschauer zurück in die öffentlich-rechtliche TV- Arena locken. Und wirklich, die Geschichte um den alternden Jockey Horst Moischenbroich, der es mit seiner Stute Berta noch einmal den Jungen zeigen will, ist ein spannungsgeladener Traber-Thriller, der einen immer wieder gern zur Fernbedienungspeitsche greifen läßt. Gegenspieler des Sulky-Routiniers ist nämlich Waldemar Etzel, ein zwielichtiger Buchmacher, der mit allerlei schmutzigen Tricks Moischenbroichs Triumph zu verhindern sucht. Diese Hufoper hat nicht nur für Traberfreunde das Zaumzeug zur Kultserie...

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In der vom Bayerischen Rundfunk produzierten „Telenovelle“ mit dem klangvollen Titel „Sonja Mofa – Die Sklavin des Fahrzeughalters“ geht es um die schicksalhafte Begegnung der brasilianischen Haushälterin Sonja Mofa mit dem millionenschweren Spediteur Willi Bretterbach, Herr einer vielachsigen Lkw-Flotte. Angestellt, den repräsentativen Unternehmerhaushalt der Bretterbachs zu führen, verfällt die cappuccinobraune Schönheit bald rettungslos der unwiderstehlichen Ausstrahlung des Bleichgesichts. Ist Willis Ehe noch zu retten, und was wird aus dem Fuhrgeschäft? Fragen, die in den 624 Folgen sicherlich ihre Antwort finden werden...

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Das Schöne-Wochenend-Billigticket der Bahn hält jetzt endlich Eilzug, pardon, Einzug ins Fernsehprogramm. In der „Wochenendserie“ des ZDF „Ein Bayer auf Zügen“ versucht der Schuhplattlerkönig Hias Obermeier für 35 Mark an einem Wochenende von Garmisch nach Rügen und retour zu kommen. Nach Rügen mit Zügen – das ist selbst für einen ausgebufften Kursbuchkenner wie Hias fast ein Ding der Unmöglichkeit. Doch ob Stadtexpreß, Regionalbahn oder Regionalexpreß, Hias spielt souverän auf der Zugklaviatur des „Unternehmens Zukunft“. Als er aber in Neustrelitz den Anschlußzug nach Stralsund verpaßt, scheint die geplante Fahrt ins Blaue im sprichwörtlichen märkischen Sande zu verlaufen. Doch da naht Rettung in Gestalt eines außerfahrplanmäßig verkehrenden Sonderzugs mit Gesellschaftswagen, der das urige Alpenoriginal gegen begeistert beklatschte Schuhplattlereinlagen bis Saßnitz bringt. Wird Hias es aber bis Sonntag 24 Uhr auch wieder zurück in die bayerischen Berge schaffen, oder muß er am Ende doch noch nachlösen? Sehen Sie selbst – als Clou strahlt das ZDF übrigens alle 15 Folgen der Serie an einem einzigen Wochenende aus...

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Jan und Jens, zwei ungleiche Brüder und Krabbenfischer aus dem holsteinischen Husum, sind die Hauptdarsteller in „Verbotene Siebe“, der neuen Daily Soap des ZDF. Während Jens nach altem Fischerbrauch die Krabben einzeln mit der Angel fischt, benutzt der gerissene Jan zum selben Zweck ein Sieb, mit dem er natürlich eine weitaus größere Menge der putzigen Schalentiere aus den heimischen Gewässern ziehen kann. Jens schaut in der ersten Folge der gewissenlosen Überfischung der Krabbenbänke fünfzehn Minuten in ohnmächtiger Wut zu, dann ruft er Seapeace auf den Plan. Werden die radikalen Umweltschützer Jans Siebe kappen können? Und was meint die äußerst attraktive griechische EU- Fischkommissarin in der zweiten Folge zu diesem Fangquotenkiller? Rüdiger Kind

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