Im Zeichen der Krise: In Porto Alegre trifft sich der Weltkirchenrat : Zeit der Fundamentalismen
Eigentlich ist er ein Global Player: Der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRK), auch Weltkirchenrat genannt, vertritt etwa eine halbe Milliarde Christen rund um den Erdball. In ihm sind 347 christliche Kirchen aus mehr als 120 Ländern engagiert. Doch seine Größe und Vielfalt ist zugleich der Grund, weshalb er nun – so kein Wunder geschieht – in die Bedeutungslosigkeit herabsinken wird. Einer Institution, die fast 60 Jahre lang als Impulsgeber für die Ökumene diente und, meist hinter den Kulissen, viel Positives bewirkt hat, droht nun das faktische Ende.
Woran liegt das? Vielleicht an den Zeitläuften, die den Fundamentalismen in jeder Glaubensrichtung und fast allen Religionen stärker als zuvor entgegenkommen. Vielfalt und Vielstimmigkeit als Reichtum zu begreifen ist eben schwierig, wenn einerseits ein scharfkantiges Profil gefordert, andererseits mehr Offenheit gegenüber anderen erwartet wird. Als sich vor wenigen Jahren die Russisch-Orthodoxen plötzlich weigerten, mit den anderen ÖRK-Kirchen gemeinsame Gottesdienste abzuhalten und andere orthodoxe Kirchen sogar austraten, hat sich dies überdeutlich gezeigt.
Zudem mangelte es an einer gemeinsamen theologischen Vision. Irgendwie anders und meist liberaler zu sein als die römisch-katholische Kirche, das allein reicht eben nicht. An der großen alten Schwester des ÖRK, selbst nur als Beobachterin vertreten, arbeitete sich der Weltkirchenrat viel zu sehr ab. Außerdem entwickelten sich die ÖRK-Kirchen immer weiter auseinander, wie etwa der Streit um die Homosexualität oder die Frauenordination offen legte: Für die Orthodoxen blieb beides undenkbar, während gerade die protestantischen Kirchen des Westens sich hier fortentwickelten.
Dem ÖRK steht nun ein langsames Sterben bevor. Die aktuellen Ideen, sich zu einer Art Weltversammlung des Christentums zu wandeln oder mit den Pfingstkirchen anzubändeln, sind eher Zeichen der Hilflosigkeit als zukunftsweisende Perspektiven. Vielleicht ist die Zeit für den ÖRK einfach vorbei. Nichts währt bekanntlich ewig auf Erden.
PHILIPP GESSLER