Im Tamm-Museum mit Kritiker Friedrich Möwe: Ritterkreuz mit Eichenlaub
Auch drei Jahre nach seiner Einweihung lässt das Maritime Museum Hamburg die versprochene historische Einordnung seiner Militaria-Sammlung vermissen. Ein Rundgang mit dem Museumskritiker Friedrich Möwe.
HAMBURG taz | Fast hätten wir das Zwischengeschoss mit den Hilfskreuzern und den U-Booten vergessen. "Pling - Pling - Pling", vom Band läuft das Echolot-Geräusch aus dem Wolfgang Petersen-Film "Das Boot".
Wie auch sonst in den neun Stockwerken des Internationalen Maritimen Museum an der Koreastraße 1 regieren die Vitrinen. In einer findet sich neben U-Boot-Modellen und Matrosenmützen eine lange Schnur, an der verschiedene Wimpel hängen.
"Versenkungswimpel", sagt Friedrich Möwe. Auf einem steht der Name "Tinhow". "Ja, und wer oder was ist das nun?", fragt Möwe.
Es ist gut drei Jahre her, da hat Friedrich Möwe in der Hamburger Museumsszene für ziemlichen Wirbel gesorgt: Damals, als die Hansestadt trotz knapper Kassen 30 Millionen Euro locker machte, um die maritime Sammlung des einstigen Axel-Springer-Vorstandsvorsitzenden Peter Tamm im Kaispeicher B in der Hafencity unterzubringen.
Das Bauwerk wurde grundsaniert und der Sammlung für die kommenden 99 Jahre mietfrei überlassen.
Möwe veröffentlichte dazu ein schmales Buch mit dem Titel "Tamm Tamm - Eine Anregung zur öffentlichen Diskussion über das Tamm-Museum".
Detailliert analysierte er eine Vielzahl von maritimen Exponaten, die bei Tamm anfangs in dessen Villa an der Elbchaussee lagerten. Er kam zu dem Schluss: "Es gibt viele Gründe, das Museumsprojekt des Multimillionärs kritisch unter die Lupe zu nehmen."
Doch die offizielle Politik beschäftigte mehr seine Person: Denn "Friedrich Möwe" ist ein Pseudonym. Es mangelte nicht an Spekulationen, wer dieser mit so viel Hintergrundwissen ausgestattete Möwe sein könnte: ein unbequemer Sprössling aus hanseatischem Geschlecht?
Sohn eines einstigen U-Boot-Kommandanten? Die damalige Kultursenatorin Karin von Welck weigerte sich strikt, das Buch auch nur zu lesen. Und der seinerzeitige Kulturexperte der GAL Wilfried Maier ließ verkünden, jemand, der seinen Namen nicht nenne, sei nicht satisfaktionsfähig.
Diejenigen dagegen, die anfangs nur von einem gewissen Unbehagen gepackt wurden, als sie durch die vorwiegend mit Militaria vollgestopften Räume in der Elbchaussee stapften, fanden in dem Büchlein viele solide Belege für ihren Verdacht, das kommende Museum sei zu weiten Teilen einem bestenfalls grundnaiven, mehr aber noch kriegsverherrlichenden Gestus verpflichtet.
Für unseren Rundgang ist Friedrich Möwe, der inkognito bleiben will, weil er sonst berufliche Nachteile befürchten muss, an den Ort zurückgekehrt, der im Juni 2008 unter den Pauken und Trompeten einer Militärkapelle im Beisein des seinerzeitigen Bundespräsidenten Horst Köhlers eröffnet wurde und seitdem aus der Diskussion weitgehend verschwunden ist.
Und schon stehen wir vor einem der zentralen Orte der Tammschen Sammlerlust, wo wie in einem überdimensionalen Aquarium über 40 uniformierte, mannshohe Puppen warten.
"Ach, den Burschen kenn ich ja noch gar nicht", sagt Möwe überrascht und zeigt auf die Puppe mit der Nummer 34: Sie trägt die Paradeuniform eines Sergeanten Majors aus Indonesien: "Und was hat es nun damit auf sich?"
Es gibt aber auch ganz eindeutige Kandidaten. "Oh, Scheißdreck - Schniewind", entfährt es Möwe, denn Otto Schniewinds "große Uniform mit Spanier" aus dem Jahre 1944 erhebt sich vor uns hinter Plexiglas.
Generaladmiral Otto Schniewind, mit verantwortlich für die Besetzung Norwegens, kassierte im Juni 1944 das Urteil auf acht Jahre Zuchthaus gegen den fahnenflüchtigen Matrosen Walter Gröger und verlangte statt dessen die Todesstrafe - was ein gewisser Hans Filbinger erledigte. Nichts ist über diese historischen Hintergründe zu erfahren.
Kaum ein erklärendes Wort findet sich auch zu den diversen Urkunden und Orden, die an einer Wand hängen und die Möwe kurz überfliegt.
Einträchtig folgt auf das "Flotten-Kriegsabzeichen" von 1943 das Bundesverdienstkreuz sowie die Verdienstmedaille der Marine der Nationalen Volksarmee.
"Is wohl alles eins", spottet er. Und weiter geht es durch die Räume, wo in langen Vitrinen Gewehre oder Säbeln an durchsichtigen Schnüren hängen.
Kurz keimt bei ihm Hoffnung auf: "Wo ist denn der Bismarck-Raum? Das wäre ja eine Sensation, wenn sie den abgeschafft hätten!"
Aber er kommt dann doch: Eine düstere Ecke, in der das Schlachtschiff "Bismarck" als Modell steht, dessen Stapellauf übrigens im Hamburger Hafen von der Taufrede Hitlers begleitet wurde; mittlerweile ergänzt durch ein weiteres Modell, das die Bismarck auf dem Grund des Meeres zeigt - offenbar eine Akt der Trauerarbeit.
Doch auch die nicht-militärischen Etagen des Museums finden in Möwes Augen keine Gnade: Nichts Fundiertes zur Auswanderung, nichts zu den Flüchtlingsströmen übers Meer kann er in der Ausstellung finden.
Nur einmal wird er milde gestimmt - als er in der kolonialgeschichtlichen Abteilung vor dem Modell eines Ruderbootes aus Afrika stehen bleibt, in dem kleine Holzfiguren die Ruderer symbolisieren.
"Ich mag dieses Modell; vielleicht weil hier mal ein paar Menschen dargestellt sind", sagt er halblaut.
Weitere Treppen geht es hoch nach oben. "Und jetzt kommen wir zum Ort des Wahnsinns", ruft Herr Möwe fast vergnügt, steigt hinauf in den obersten Stock, wo die Modellschiff-Sammlung des Peter Tamm zu sehen ist: Abertausende von Modellschiffen lagern hier, den Bug stets voran.
Auch das Modell eines U-Boot-Bunkers findet sich. In einem Halbsatz wird erwähnt, dass Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge hier zur Arbeit gezwungen wurden.
Friedrich Möwe nickt, zieht ein Resümee: "Es gibt einzelne Sätze, in denen die Verbrechen der Marine zumindest angedeutet werden, aber ich kann darin kaum mehr als ein Alibi erkennen."
Auch in anderen Punkten hat er Recht behalten: Eine kritische Auseinandersetzung mit der Kolonialpolitik via See, den Eroberungszügen, den Schlachten des Ersten und des Zweiten Weltkrieges, die seinerzeit von Tamm und seinen Unterstützern in diversen Sitzungen des Kulturausschusses der Bürgerschaft immer wieder wortreich versprochen wurde, ist ausgeblieben.
Von einer wissenschaftlichen Begleitung gerade der militärhistorischen Sammlung kann keine Rede sein. "Wissen Sie, warum Tamm den Schäfer gleich wieder rausgeschmissen hat?", fragt Möwe.
Dr. Hermann Schäfer, ehemaliger Leiter des "Haus der Geschichte" in Bonn, der 2006 für einen Eklat gesorgt hatte, weil er in einem Grußwort zu einem Gedenkkonzert für die Opfer des KZ Buchenwald vor allem über Vertreibung und Flucht der Deutschen sprach, wurde 2009 Direktor des Museums - und verschwand von einem Tag auf den anderen, ohne ein Wort der Erklärung.
"Aber Erklärungen sind ja ohnehin nicht die Stärke dieses Hauses", sagt Möwe.
"Haben Sie gesehen, unten im Eingangsbereich?", fragt er noch. Ein wuchtiger, schwarzer Mercedes mit dem Nummernschild HH-PT stand so geparkt, dass man kaum dran vorbei kam.
Peter Tamm leitet sein Haus längst wieder allein; er steht einsam wie der Kapitän auf der Brücke. So, wie es wohl schon immer von ihm beabsichtigt war - anschubfinanziert mit Steuergeldern dieser Stadt.
Möwe schaut noch mal auf das Eintrittsticket: Zwölf Euro kostet der Besuch für einen Erwachsenen, statt vormals acht. "Scheint ja nicht so gut zu laufen", sagt er trocken.
Und er reckt sich und er schüttelt sich, als müsse er das eben Gesehene von sich abstreifen. "Schauen Sie mal im Internet nach der ,Tinhow'; machen Sie sich mal schlau", ruft er als letztes, dann geht er schnellen Schrittes davon.
Die "Tinhow" war ein britischer Dampffrachter, der am 11. 5. 1943 morgens um 4 Uhr vor der Küste Mozambiques von dem deutschen U-Boot U 181 unter dessen Kommandanten Wolfgang Lüth versenkt wurde. 24 Besatzungsmitglieder und 50 Passagiere kamen zu Tode.
Das Tamm-Museum stellt Wolfgang Lüth auf einer Tafel wie folgt vor: "Wolfgang Lüth, der zweiterfolgreichste U-Boot-Kommandant, erhielt neben Alfred Brandi als einziger Offizier der Kriegsmarine die höchste Tapferkeitsauszeichnung: das Ritterkreuz des Eisernen Kreuzes mit Eichenlaub, Schwertern und Brillanten."
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