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Archiv-Artikel

Im See versinkt ein Ort der Angst

Auf dem Phönix-Ost-Gelände in Dortmund lebten und arbeiteten in der Nazi-Zeit hunderte Zwangsarbeiter: Mindestens 60 von ihnen wurden hingerichtet. Initiativen kämpfen seit Jahren um eine Gedenkstätte, denn bald versinkt das alte Lager im See

Die Ausmaße des Verbrechens sind ja nun offiziell: Es gibt keinen Grund, weiter zu zögern

von Miriam Bunjes

Ein altes halb verfallenes Pförtnerhäuschen, ein Halle mit nackten Betonwänden: Dass hier auf dem Phönix-Ost-Gelände gequält und vielleicht auch gemordet wurde, wissen heute nur noch wenige. Dabei schliefen in dem auch damals kahlem Betongebäude in den 1940er Jahren hunderte Gefangene der Gestapo. Tagsüber schleppten sie Stahl für den Hörder Hüttenverein. Nachts fürchteten sie um ihr Leben.

Kurz vor Kriegsende kamen in der Nacht Männer in SS-Mänteln, nahmen etwa 60 Gefangene mit, um sie anschließend im Rombergpark und in der Bittermark zu erschießen.

Bislang erinnert nichts an diesen Massenmord in Dortmund: Das Pförtnerhaus der Bewacher verfällt, die Betonhallen wurden in der Zwischenzeit als Lagerhallen benutzt, umgebaut und dann leer stehen gelassen. Und jetzt soll das Gebäude in einem See versinken.

In ein paar Jahren sollen hier in Dortmund-Hörde Villen stehen, vornehme Hotels mit Seeblick und eine attraktive Bepflanzung. Dafür müssen die alten Industriebauten natürlich erstmal weg. „Spätestens 2007 wird das Wasser eingelassen“, sagt Udo Bullerdieck, Sprecher der Stadt Dortmund. „Das Gebäude ist durch die zahlreichen Umbauten sowieso nicht mehr authentisch.“

Und über eine Gedenkstätte ist sich die Stadtverwaltung noch nicht einig. Das Pförtnerhäuschen sei eine Option, sagt der Stadtsprecher. Oder eine Gedenktafel. „Wir diskutieren darüber, aber es ist noch zu früh für eine Entscheidung.“

Ulrich Sander von der Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes (VVN) kann dieses Zögern überhaupt nicht verstehen. „Seit Jahren machen wir die Stadt schon auf diesen historischen Ort aufmerksam“, sagt er. „Und sie reagiert einfach nicht.“

Die VVN und das Internationale Rombergpark-Komitee recherchieren schon seit Jahren an dem Fall. Der Standort des Lagers war lange Zeit unbekannt. In alten Akten des Landgericht Dortmunds entdeckten die Antifaschisten die Skizze eines so genannten Auffanglagers am Emschertor und an der Herrmannstraße in Dortmund-Hörde. „Es besteht kein Zweifel, dass Insassen des Hörder Lagers, darunter ausländische Zwangsarbeiter und jüdische Bürgerinnen, auf heimtückische Weise von den Nationalsozialisten ermordet wurden“, stellte auch das Dortmunder Stadtarchiv vor drei Jahren fest.

„So eine Gedenktafel passt nicht in das Konzept vom noblen Phönix-Ost“, glaubt Ulrich Sander. „Die Ausmaße des Verbrechens sind ja nun offiziell: Es gibt also keinen Grund, weiter zu zögern.“

Noch gehört das Gelände des ehemaligen Hörderhütten-Verein sowieso Thyssen Krupp. Der Konzern sei mitverantwortlich für das Verbrechen, sagt die VVN. Und solle sich deshalb gefälligst an einem Mahnmal beteiligen. Denn in den Akten des Landgerichts tauchte auch eine Aussage des Pförtners auf: „Ausgewählt und somit zum Tode verurteilt wurden die Gefangenen von den betrieblichen Bewachern P. und K..“

„Bald gehört uns das Gelände sowieso nicht mehr“, sagt Dietmar Stamm, Unternehmenssprecher von Thyssen Krupp. „Die Stadt Dortmund kann von uns aus gerne ein Mahnmal errichten.“ Verantwortlich für die Verbrechen des Naziregimes fühlt sich Thyssen-Krupp nicht. „Das war ein Gestapo-Gefängnis“, sagt Stamm. „Das hat mit unserem Betrieb nichts zu tun.“

Während Thyssen Krupp nicht mehr zuständig ist, und die Stadt Dortmund noch nicht, recherchiert die Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes und das Internationale Rombergpark-Komitee weiter. Zwei der jüdischen Opfer haben sie bereits identifiziert: Die beiden Essenerinnen Julie Risse und Klara Adolph. „Vielleicht macht das unseren Appell eindringlicher – wenn die Toten Namen tragen“, sagt Ulrich Sander.