piwik no script img

■ Im Mikrokosmos der Mikrokosmetik – ein SelbstversuchFacelifting mit Tsumani-Welle

Der Pressetext klingt vielversprechend: „Deutschland-Premiere in Berlin für natürliches Gesichtslifting – Der Berliner Heilpraktikerin Samo Erlhofer ist es gelungen, ein Gerät, welches weltweit den Ruf hat, das beste elektronische Therapiegerät zu sein, um Falten und Linien im Gesicht, Hals und Décolleté zu glätten, genannt C.A.C.I., nach Deutschland zu holen.“ C.A.C.I. steht für „computer aided cosmetology instrument“ und wurde vom hierzulande noch wenig namhaften Sportmediziner Dr. Thomas Wing, „Pionier im Bereich der Micro-Strom-Therapie“, – wo? – natürlich in den USA erfunden. Das besondere Merkmal der C.A.C.I.-Methode und der Grund, warum sich Falten mit ihrer Hilfe „dramatisch“ verringern lassen, sei „die patentierte Tsumani-Wellenform“. Diese sei dem körpereigenen bioelektronischen Feld angepaßt, so daß die Behandlung den Muskeltonus, den Adenosin-Triphosphatpegel und einige weitere unaussprechliche Stell- und Regelgrößen im Körper „um bis zu 400 Prozent“ steigere. Auch Prinzessin Di und Mel Gibson sollen auf diese Technik schwören.

Und damit sieht man dann tatsächlich jünger aus? Ich meine ganz ohne Eingriffe, Collagenspritzen und Gurkenscheibenimplantate? „Fünf bis acht Jahre“, versichert Samo Erlhofer (schätzungsweise 35 bis 38, vermutlich aber 43), als ich ihr in dem soeben eröffneten Studio für natürliches Gesichtslifting in Berlin-Moabit gegenübersitze. „Die Schwerkraft nagt an uns allen“, erklärt Frau Erlhofer, und ich kann nur beipflichten; es ist früher Morgen, und am Abend vorher habe ich nach Leibeskräften getrunken und geraucht und bin spät ins Bett gegangen, um meine Gesichtshaut in einen verbesserungsfähigen Zustand zu versetzen.

Jetzt bin ich müde und glaube unbesehen alles: „Wir arbeiten im Mikro-, nicht im Milli-Amper-Bereich, dadurch ist die Behandlung noch sanfter. Der nachhaltige Effekt kommt über ein ,Reeducating‘ der Gesichtsmuskeln zustande, der gesamte Golgi-Apparat gerät in jugendlichen Schwung. Das Décolleté behandeln wir erst bei der dritten, vierten Sitzung, weil sonst die Spannung aus dem Gesicht wieder runterfällt.“ Letzteres will mir spontan einleuchten, außerdem fallen mir keine Fragen mehr ein. Wie es denn mit einer Demonstration aussehe? Frau Erlhofer gibt zu bedenken, daß mein Gesicht ja wohl noch gar keine Falten aufweise, aber gut, um mal einen Eindruck zu bekommen... Ich sage, ich hätte mir im Vorfeld alle Mühe gegeben, und überschlage kurz, daß ich nach erfolgreicher Behandlung – ach du Scheiße! – bei 16 bis 19 Jahren landen würde.

Im Behandlungszimmer stehen eine Liege und ein schuhkartongroßer Apparat mit allerlei Lämpchen und Dioden, der nach dem Einschalten monoton „piiiep- poop“ macht, nicht ganz unähnlich der „Maschine mit dem Ping“ in Monty Pythons „Sinn des Lebens“. Ich lege mich hin, und Frau Erlhofer manipuliert mit zwei Elektroden in meinem Gesicht herum, in deren Schäfte sie zuvor Wattestäbchen gesteckt hat. „Wir nehmen die amerikanischen Q-Tips, mit den deutschen würde es nicht funktionieren. Spüren Sie etwas?“ „Nein“, bescheide ich wahrheitsgemäß. „Sehen Sie, sehen Sie, das ist eben das Tolle an unserer Methode, daß man überhaupt nichts spürt. Sehr sanft.“

Sehr sanft, wohl wahr. Die Behandlung ist halbseitig, damit ich den Unterschied merke. Der Unterschied, den ich nach einer halben Stunde merke, ist der, daß sich meine linke Gesichtshälfte anfühlt, als habe jemand 30 Minuten mit Wattestäbchen darin herumgefuhrwerkt. Sonst nichts. Puh, ein Glück, denke ich und bin froh, daß ich demnächst nicht mit einer um fünf bis acht Jahre verjüngten Gesichtshälfte herumlaufen muß. „Doch, doch, irgendwie entspannter“, lüge ich erleichtert. „Sehen Sie, nicht wahr? Der Langzeiteffekt stellt sich aber erst nach zehn bis zwölf Behandlungen ein.“

Dann muß Herr Erlhofer ran, Frau Erlhofers Gatte, weil der schon richtige Falten hat. Und ich darf zusehen, wie seine Frau ihn halbseitig mit den Q-Tips bearbeitet und dabei immer wieder ein anderes Piepgeräusch an der Maschine einstellt. Auch bei ihm ist am Ende kein Unterschied festzustellen. Jedoch scheint sich innerlich etwas bei ihm abgespielt zu haben, denn, als er sich selbst nachher im Spiegel betrachtet, gerät er vollends aus dem Häuschen: „Faszinierend! Unglaublich! Es ist doch immer wieder erstaunlich, was das ausmacht.“ „Ja, und die Psychologie dahinter erst“, pflichte ich bei. Ja, doch, die sei auch ganz wichtig, assistieren die Erlhofers einträchtig und eilfertig, und ich sehe

zu, daß ich mich verabschiede. Eine Behandlung kostet übrigens regulär 130 Mark, bei zehn Behandlungen wird's billiger: 120 Mark. Wer die Methode dennoch gern einmal, vielleicht zu Hause, ausprobieren möchte, der halte sich einfach zwei mit Watte umwickelte Knopfzell-Batterien an die Backe und stelle den verschlüsselten Polizeifunk auf UKW dazu an (Tsumani-Frequenz: ca. 88 MHz). Der Effekt dürfte in etwa der gleiche sein. Holm Friebe

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen