Im Interview: Nikolaus Piontek: „Gerichtsfest stillegen“
■ Der Hamburger Atomrechts-Experte und Anwalt über Krümmel und Paragraphen
taz: Herr Piontek, wie bewerten Sie Forderungen, die HEW müßten die Plutonium-Studie von Frau Schmitz-Feuerhake widerlegen, um das AKW Krümmel wieder anschalten zu dürfen?
Nikolaus Piontek: Das Abschalten ist rechtlich sehr kompliziert. Die Aufsichtsbehörde müßte einen gerichtsfesten Gefahrenverdacht haben, um das AKW vom Netz nehmen zu können.
Wie läßt sich dieser Verdacht belegen?
Es reicht nicht, behördlicherseits nur zu behaupten, das AKW Krümmel sei verantwortlich für die Plutonium-Befunde. Es muß eine Gesundheitsgefährdung belegt sein und ein genehmigungswidriger Zustand nachgewiesen werden. Dazu gehört, daß andere mögliche Ursachen mit hoher Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden können.
Ein solcher Ausschluß würde ausreichen für die Stillegung des Reaktors?
Das würde gehen, wenn alle Rahmenbedingungen und physikalischen Gegebenheiten die Schlußfolgerung zulassen, daß es keine andere Quelle geben kann. Natürlich muß das so begründet und nachgewiesen sein, das es gerichtsfest ist.
Müssen dafür die Emissionen im einzelnen mit Datum und Uhrzeit nachgewiesen werden?
Gewissermaßen. Wenn vor zehn Jahren zum Beispiel Plutonium entwichen ist, das jetzt nachgewiesen wurde, heißt das nicht unbedingt, daß jetzt auch noch Plutonium entweicht. Es muß klar sein, ob es einen Systemmangel gibt oder nur einen Fehler, der reparabel ist oder sogar schon in der Zwischenzeit repariert wurde. Für ein Abschalten ist eine gegenwärtige Gefahr erforderlich.
In Bonn wird an einer Novellierung des Bundesatomgesetzes gearbeitet. Darin soll auch die Umkehr der Beweislast festgeschrieben werden. Geht das verfassungsrechtlich überhaupt?
Das läßt sich machen. Man muß natürlich sehr sorgsam mit den juristischen Details umgehen. Zum Beispiel muß ausgeschlossen werden, daß Behörden willkürlich vorgehen können. Das ist zwar kompliziert, aber durchführbar. Interview: smv
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen