: Im Feindeskreis
Der CDU-Landesvorsitzende Joachim Zeller scheint am Ende. Die starken konservativen Parteigrößen aus dem Westen wollen mehr Macht. Bis zum Parteitag Ende Mai sollen die Würfel gefallen sein
von Matthias Lohre
Wer in der Politik nicht beneidet wird, macht etwas falsch. CDU-Landeschef Joachim Zeller wird nicht beneidet. Der Bezirksbürgermeister von Mitte steht seit Monaten in der Kritik. So genannte Parteifreunde zersetzen Zellers Führungsanspruch in der Hauptstadt-CDU. Jetzt prophezeien Medienberichte das bevorstehende Ende von Zellers Parteikarriere.
In den jüngsten Wahlumfragen erreicht die Hauptstadt-CDU mit 28 Prozent nur ein Prozent weniger als die SPD. Doch darüber können sich die Konservativen nicht freuen. Zu desolat erscheint ihr Gesamtauftritt in der Öffentlichkeit. So ging Zellers Machtkampf mit dem mitgliederstarken Kreisverband Steglitz-Zehlendorf verloren. Vergeblich forderte der Landesvorsitzende den Rauswurf des dortigen Bezirksverordneten Torsten Hippe. Hippe hatte gesagt: „Ich kann nicht verhindern, dass ich in einzelnen Fragen den Positionen der NPD nahe stehe.“ Zeller fand durchaus, dass das zu verhindern sei – Unterstützung bekam er dafür kaum.
Die Erfolglosigkeit des Vorsitzenden hat System. Seit Januar formiert sich eine neue Interessenkoalition in der Berliner CDU. Die mitgliederstärksten Kreisverbände wollen mehr Macht in der Partei. Michael Braun, Landtagsabgeordneter aus Steglitz-Zehlendorf, und der Kreisvorsitzende von Charlottenburg-Wilmersdorf, Ingo Schmitt, wollen eine konservativere Hauptstadt-CDU. Ihre Pläne werden bereits umgesetzt: bei den verschiedenen Vorstandswahlen in den Bezirks- und Kreisverbänden seit Januar. Noch steht den beiden Westberliner Parteigrößen aber ihr östlicher Kollege dabei im Weg.
Die Auseinandersetzung wirft ein Schlaglicht auf die rivalisierenden Mächte und politischen Ansichten in der Berliner CDU. Grob gesagt teilen sich die Konservativen in zwei Lager. Zum einen ist da das kleinbürgerlich-antikommunistisch geprägte Westmilieu. Dessen Vertreter Eberhard Diepgen und Klaus Landowsky prägten über Jahrzehnte das CDU-Bild in Berlin. Bis auch sie über den Bankenskandal stolperten und ihre Partei 2001 in die Opposition gezwungen wurde.
Für frischen Wind sollen seit Jahren Politikimporte sorgen, die das Kalte-Krieger-Image der hiesigen Konservativen aufpolieren sollen. Der glücklose einstige CDU-Vorsitzende Christoph Stölzl gehört ebenso dazu wie sein Nachfolger Joachim Zeller. Die mageren 52 Prozent Zustimmung bei dessen Wahl im Mai 2003 zeigen, wie zerstritten die beiden Lager sind. Der gelernte Slawist Zeller gilt vielen als Libe).raler. Bei seiner Wahl zum Bezirksbürgermeister von Mitte erhielt er auch Stimmen von Grünen, PDS und FDP.
Dennoch kommen Beobachter wie der Politikwissenschaftler Gero Neugebauer zu dem Schluss: „Zeller repräsentiert faktisch alte Machtverhältnisse“ (siehe Interview unten). Denn der Ostberliner Zeller ist erklärter Freund von Exfraktionschef Frank Steffel. Der schaffte nicht nur das Kunststück, unbeliebtester Politiker der Hauptstadt zu werden. Der Kreisvorsitzende in Reinickendorf gilt auch als Ziehsohn Diepgens. Mit Christoph Stölzl installierte Steffel schon einmal einen Mann mit liberaler Attitüde an der Parteispitze. Aber auch Steffels Macht ist mehr und mehr am sinken.
Wenn Zeller fällt, befürchten Beobachter, rückt die CDU weiter nach rechts. Denn es war sein Gegenspieler Michael Braun, der den Parteirauswurf von Torsten Hippe verhinderte.